Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

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zu erfreuen haben, so steht doch die Reichszuständigkeit nicht un- 
erschütterlich fest, sie kann sich im Wege der Verfassungsänderung 
weiter ausdehnen, und dann ist auch hier die freie Bewegung der 
Einzelstaaten gehemmt. Ist bei den bereits der Reichszuständigkeit 
unterliegenden Gegenständen jeder Vertrag eines Einzelstaates 
zu verstehen unter der stillschweigenden auflösenden Bedingung, 
daß das Reich nicht mit jenem Vertrage im Widerspruche stehende 
Bestimmungen trifft, so erscheint bei Verträgen über Gegenstände, 
die nicht zur Reichszuständigkeit gehören, als stillschweigende, den 
Vertrag auflösende Klausel, daß nicht etwa das Reich seine Zu- 
ständigkeit auf diese Gebiete ausdehnt und dann eine widersprechende 
Bestimmung erläßt. Allerdings ist vielfach die Ausdehnung der 
Reichszuständigkeit gegen den Willen eines einzelnen Staates un- 
möglich, so stets gegen denjenigen Preußens oder, wenn es sich 
um Reservatrechte handelt, ohne die Zustimmung des betreffenden 
Staates. Hinsichtlich des preußischen Staates ist daher die Auf- 
fassung begründet, daß jede die Freiheit seiner Bewegung mehr 
als bisher einengende Ausdehnung der Reichszuständigkeit auf seiner 
freien Willensentschließung beruht. Aber man kann daraus nicht 
den Schluß ziehen, daß Verträge des preußischen Staates, etwa 
über Wegeangelegenheiten, Kirchen= und Schulsachen, direkte Be- 
steuerung der Ausländer im Inlande und dergleichen, nicht als 
unter jener stillschweigenden auflösenden Bedingung abgeschlossen 
zu betrachten seien. Zwar beruht die Vernichtung solcher Verträge 
durch das Eingreifen des Reiches nur auf der Zustimmung Preußens 
zur Erweiterung der Reichszuständigkeit. Diese Zustimmung ist 
aber ein rein innerer Vorgang im Schoße des Bundesrates, auf 
den sich auswärtige Mächte nicht berufen können dadurch, daß 
sie bei der Aufhebung der Wirksamkeit eines solchen Vertrages 
durch die Reichsgewalt der preußischen Regierung vorwerfen, sie 
sei selbst an der Aufhebung schuld, sie hätte, um ihren vertrags- 
mäßigen Verpflichtungen zu genügen, im Bundesrate anders 
stimmen müssen. Also auch auf dem der freien Verfügung der 
Einzelstaaten überlassenen Gebiete nehmen sie im völkerrechtlichen 
Verkehr nicht dic gleiche Stellung ein wie vollkommen souveräne 
Staaten. 
Die deutschen Einzelstaaten sind endlich auch bei der Geltend- 
machung der aus Verträgen erworbenen Rechte besonders zu be-
	        
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