8 Das Verwaltungsrecht. 110
zu erfreuen haben, so steht doch die Reichszuständigkeit nicht un-
erschütterlich fest, sie kann sich im Wege der Verfassungsänderung
weiter ausdehnen, und dann ist auch hier die freie Bewegung der
Einzelstaaten gehemmt. Ist bei den bereits der Reichszuständigkeit
unterliegenden Gegenständen jeder Vertrag eines Einzelstaates
zu verstehen unter der stillschweigenden auflösenden Bedingung,
daß das Reich nicht mit jenem Vertrage im Widerspruche stehende
Bestimmungen trifft, so erscheint bei Verträgen über Gegenstände,
die nicht zur Reichszuständigkeit gehören, als stillschweigende, den
Vertrag auflösende Klausel, daß nicht etwa das Reich seine Zu-
ständigkeit auf diese Gebiete ausdehnt und dann eine widersprechende
Bestimmung erläßt. Allerdings ist vielfach die Ausdehnung der
Reichszuständigkeit gegen den Willen eines einzelnen Staates un-
möglich, so stets gegen denjenigen Preußens oder, wenn es sich
um Reservatrechte handelt, ohne die Zustimmung des betreffenden
Staates. Hinsichtlich des preußischen Staates ist daher die Auf-
fassung begründet, daß jede die Freiheit seiner Bewegung mehr
als bisher einengende Ausdehnung der Reichszuständigkeit auf seiner
freien Willensentschließung beruht. Aber man kann daraus nicht
den Schluß ziehen, daß Verträge des preußischen Staates, etwa
über Wegeangelegenheiten, Kirchen= und Schulsachen, direkte Be-
steuerung der Ausländer im Inlande und dergleichen, nicht als
unter jener stillschweigenden auflösenden Bedingung abgeschlossen
zu betrachten seien. Zwar beruht die Vernichtung solcher Verträge
durch das Eingreifen des Reiches nur auf der Zustimmung Preußens
zur Erweiterung der Reichszuständigkeit. Diese Zustimmung ist
aber ein rein innerer Vorgang im Schoße des Bundesrates, auf
den sich auswärtige Mächte nicht berufen können dadurch, daß
sie bei der Aufhebung der Wirksamkeit eines solchen Vertrages
durch die Reichsgewalt der preußischen Regierung vorwerfen, sie
sei selbst an der Aufhebung schuld, sie hätte, um ihren vertrags-
mäßigen Verpflichtungen zu genügen, im Bundesrate anders
stimmen müssen. Also auch auf dem der freien Verfügung der
Einzelstaaten überlassenen Gebiete nehmen sie im völkerrechtlichen
Verkehr nicht dic gleiche Stellung ein wie vollkommen souveräne
Staaten.
Die deutschen Einzelstaaten sind endlich auch bei der Geltend-
machung der aus Verträgen erworbenen Rechte besonders zu be-