Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

16 Das Verwaltungsrecht. § 151 
den Befehl an die Staatsangehörigen verbindet, sich nach dem 
Vertrage zu richten, d. h. die in dem Vertrage enthaltenen Ver- 
pflichtungen ihrer Staatsgewalt als an sie ergangene Anordnungen 
zu betrachten. Bisweilen vereinfacht man aber das Verfahren 
noch mehr durch bloße Verkündigung des abgeschlossenen Vertrages. 
Der Befehl an die Staatsangehörigen wird dann stillschweigend 
ergänzt, er liegt in der Verkündigung. Denn diese erfolgt nicht 
zu dem Zwecke, damit die Staatsangehörigen ihre Keuntnisse über 
die völkerrechtlichen Beziehungen ihres Staates bereichern, sondern 
damit sie sich nach dem Vertrage richten. Insbesonderc ist diese 
letztere Praxis herrschend in Preußen und dem Deutschen Reiche. 
Aus der Tatsache, daß der Befehl, den vertragsmäßig über- 
nommenen Verpflichtungen des Staates gemäß zu handeln, voll- 
ständig unterdrückt wird, entsteht aber die unklare Auschanung, daß 
der Staatsvertrag für die Staatsangehörigen unmittelbar ver- 
pflichtend sei, und die Verkündigung lediglich dieselbe Bedeutung 
habe wie die Verkündigung von Gesetzen, nämlich die, den Staats- 
angehörigen amtliche Kenntnis von dem staatlichen Akte zu geben. 
Es werden die Rechtsgrundsätze verkannt, daß völkerrechtliche Akte 
die Staaten nur untereinander verbinden, daß die Staats- 
angehörigen nicht Verträgen ihres Staates, die er vielleicht gar 
nicht erfüllen will, sondern nur dessen staatsrechtlichen Akten Ge- 
horsam schulden, daß die Erfüllung des Vertrages nur von seiten 
der Vertragschließenden erfolgen kann, die Erfüllung also in staat- 
lichen Akten, nicht in einem Handeln der Staatsangehörigen gemäß 
dem Vertrage besteht. Diese Verwirrung der Begriffe ist jedoch 
für die Lehre vom Abschlusse der Staatsverträge in der konstitutio- 
nellen Monarchie von der verhängnisvollsten Bedeutung geworden. 
In der absoluten Monarchie können nach dieser Richtung hin 
keinerlei Schwierigkeiten entstehen. Der Monarch schließt die 
Staatsverträge ab, er erläßt die zu ihrer Erfüllung erforderlichen 
Anordnungen an die Staatsangehörigen, er kann beides mit- 
einander verbinden, indem er den Staatsvertrag selbst verkündet 
mit dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Befehle an die Staats- 
angehörigen, dem Staatsvertrage gemäß zu handeln. Dagegen 
ergeben sich in der konstitutionellen Monarchie Schwierigkeiten. 
Die völkerrechtliche Vertretung des Staates ist hier gewöhnlich 
ohne jede Beschränkung dem Monarchen verblieben. Andererseits
	        
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