Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

232 Das Verwaltungsrecht. 8173 
sich durch Urteil, statt in der Sache selbst zu erkennen, für un— 
zuständig erklären, weil die Polizei noch nicht entschieden habe. 
Die zweite Gruppe bilden die Streitigkeiten über Antritt und 
Fortsetzung des Dienstes. Im Grunde genommen fallen sie unter 
den allgemeinen Begriff der der vorläufigen Entscheidung und 
gütlichen Vermittlung der Polizeibehörde unterliegenden Gesinde— 
streitigkeiten. Die Besonderheit besteht nur in der Anwendung 
des obrigkeitlichen Zwanges gegen das Gesinde. Wenn die Herr— 
schaft sich unberechtigt weigert, das gemietete Gesinde anzunehmen 
oder zu behalten, so soll sie zwar von der Polizei dazu angehalten 
werden. Bei beharrlicher Weigerung der Herrschaft steht aber der 
Polizei gegen diese kein Zwang zu, sondern es bleibt dem be— 
nachteiligten Gesinde zur weiteren Verfolgung seiner Rechte nur 
die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges übrig. Diese Streitig- 
keiten sind also von der zuerst erwähnten Gruppe in nichts ver- 
schieden. Dagegen bestimmen fast sämtliche Gesindeordnungen, so 
die der alten Provinzen, die fuldaische und die hannöverschen 
Dienstbotenordnungen, daß das Gesinde, welches den Dienst anzu- 
treten oder fortzusetzen sich unberechtigterweise weigert, von der 
Polizei durch Zwangsmittel, namentlich durch polizeiliche Zu- 
führung zur Herrschaft dazu angehalten werden soll, sofern die 
Herrschaft dies beautragt. Der Anwendung des Zwanges muß 
naturgemäß eine polizeiliche Untersuchung des Sachverhaltes 
vorausgehen, um festzustellen, ob die Weigerung des Gesindes 
eine berechtigte ist oder nicht. An diese Untersuchung muß sich die 
Entscheidung der Polizeibehörde anschließen. Das ganze Verfahren 
gestaltet sich also wie in dem ersten Falle. Nur ist, wenn die 
eine Partei, das Gesinde, sich der polizeilichen Entscheidung nicht 
fügt, damit nicht etwa die Tätigkeit der Polizei überhaupt beendet 
sondern es greift nunmehr die polizeiliche Zwangsgewalt Platz. 
Gegen diese polizeilichen Zwangsverfügungen sind dieselben 
Rechtsmittel zulässig, wie gegen alle übrigen polizeilichen Ver- 
fügungen, also die Verwaltungsbeschwerde und die Klage bei den 
Verwaltungsgerichtenn). Daneben findet aber auch die Beschrei- 
tung des ordentlichen Rechtsweges durch Erhebung der Zivilklage 
statt. Letztere ist an eine Ausschlußfrist nicht gebunden, in dem 
31) Vgl. Entsch. des OVG. vom 6. Dezember 1876, Bd. 1, S. 396.
	        
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