Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8 151. Die Staatsverträge. 23 
Beamten machten sich verantwortlich. Wenn das Staatsrecht aber 
durch allgemeine Anordnung ein= für allemal die rechtsgültig 
abgeschlossenen Verträge als für die Staatsangehörigen verbindlich 
erklärt, so würde ein solcher verfassungswidriger Vertrag auch 
von den Staatsangehörigen befolgt werden müssen. Der Wider- 
spruch zwischen Staatsrecht und Völkerrecht wäre damit allerdings 
beseitigt, es lägen nur einander widersprechende Bestimmungen 
des Staatsrechts vor. 
Allein die Voraussetzung, von der diese Ausführungen aus- 
gingen, daß nämlich eine völkerrechtliche Norm besteht, wonach 
das Staatsoberhaupt den Staat durch seine Erklärungen völker- 
rechtlich verpflichtet, trifft gar nicht zuc). Im Gegenteile be- 
antwortet sich die Frage, wer zur völkerrechtlichen Vertretung des 
Staates befugt ist, lediglich nach dessen öffentlichem Rechter). 
Nicmals würde z. B. ein Staat Rechte gegen die Schweiz aus 
einem Vertrage herleiten können, den er mit dem schweizer Bundes- 
präsidenten abgeschlossen hat, da diesem nach dem schweizer Staats- 
recht die Befugnis zur völkerrechtlichen Vertretung der Schweiz 
sehlt. Es ist daher anerkannter völkerrechtlicher Grundsatz, daß 
das Staatsrecht jedes Staates das Organ bezeichnet, welches ihn 
völkerrechtlich zu vertreten hat. 
Damit ist aber die Sache noch nicht erledigt für diejenigen 
monarchischen Staaten, welche zum Abschlusse von Staatsverträgen 
die Zustimmung der Volksvertretung erfordern. Hier bezeichnet 
das Staatsrecht nicht das zur völkerrechtlichen Vertretung be- 
echtigte Organ, sondern gibt eine Vorschrift über die Form, in 
— ...———.— 
6) Gueist behauptet in seinem angeführten Kommissionsberichte zwar, 
die Besugnis zur völkerrechtlichen Vertretung des Staates könne nur dem 
Monarchen zustehen, da sonst die Einheit der Staatsaktion nach außen ge- 
sährdet würde. Abgesehen davon, daß dieser Grund nur ein politischer, 
aber kein völkerrechtlicher sein würde, trifft er aber auch gar nicht zu. Die 
einheitliche Staatsaktion nach außen wird mindestens ebenso sehr dadurch 
gefährdet, daß der Monarch nicht weiß, ob er die Zustimmung der Volks- 
ertretung zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtung erlangt, als 
durch die Notwendigkeit einer Mitwirkung der Volksvertretung beim Ver- 
tragsabschlusse. Vgl. auch E. Meier a. a. O. S. 105. 
7) Vgl. die Zusammenstellung der Belege für diese Behauptung aus 
der völkerrechtlichen Literatur bei E. Mcier a. a. O., S. 91, bei Gorius 
in Hirths Ann. 1874, S. 762 ff. und bei Pröbst a. a. O. 1882, S. 208 ff.
	        
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