302 Das Verwaltungsrecht. 9 180
In den ehemals französischen, westfälischen und bergischen
Landesteilen hatte die fremdherrliche Gesetzgebung die persönliche
Untertäuigkeit der Bauern unter den Gutsherren mit allen sich
daraus ergebenden Rechten und Pflichten beseitigt. Die dinglichen
Verpflichtungen waren in Frankreich gleichfalls aufgehoben, im
Königreich Westfalen ausdrücklich aufrechterhalten, in Berg für
ablösbar erklärt wordene).
In Neuvorpommern und Rügen war durch Einziehung der
bäuerlichen Stellen zu den Domänen und Rittergütern im
18. Jahrhundert jedes gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis mit ver-
schwindenden Ausnahmen vernichtet, so daß für eine Regulierungs-
gesetzgebung kein Platz mehr war. Leibeigenschaft und Erbunter-
tänigkeit waren dagegen bereits unter schwedischer Herrschaft im
Jahre 1806 aufgehoben worden. Die preußische Gesetzgebung fand
daher zu einem Eingreifen in die Agrarverhältnisse von Neu-
vorpommern und Rügen vorläufig keine Veranlassung mehr. Da
doch noch einige Fälle übersehen waren, erfolgte die Ausdehnung
der Regulierungsgesetzgebung auf diesen Landesteil durch Gesetze
vom 12. Juni 1892 und 25. Juli 1911.
In den ehemals sächsischen Landesteilen erfolgte zunächst durch
eine Verordnung vom 18. Januar 1819 die Aufhebung der dort
noch bestehenden Erbuntertänigkeit. Darauf wurde hier wie im
Landgebiete der Stadt Danzig die altländische Regulierungsgesetz-
gebung eingeführt.
Eine besondere Entwicklung nahmen endlich die Verhältnisse
in den ehemals warschauischen Gebieten, also der Provinz Posen,
dem alten kulm= und michelauischen Kreise und dem Landgebiete
der Stadt Thorn, wo man aus nationalen Gründen viel geringere
Rücksicht auf den Großgrundbesitz nahm als in den anderen Landes-
teilen. Unter der warschauer Regierung war hier 1807 der staat-
liche Bauernschutz unter gleichzeitiger Beseitigung der Erbuntel:
tänigkeit aufgegeben worden. Doch machten die Rittergutsbesitzer
von der dadurch gegebenen Möglichkeit der Austreibung der Bauer-
und der Einziehung der Bauernstellen erst seit 1816 einen um-
fassenderen Gebrauch, als die Einführung der Freußischen Regu—
lierungsgesetzgebung vor der Tür stand. Deshalb murde durch
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2) Vgl. über diese fremdherrliche Gesetzggebung Bornhak, Preußische
Staats- und Nechtsgeschichte S. 415.