8151 Die Staatsverträge. 27
Kammern zu binden. Dabei wurde jedoch anerkannt, daß gleich-
wohl die Ausführung eines Friedensvertrages die Mitwirkung
der Kammern erforderlich machen könneo). Hieraus ergibt sich,
daß wenigstens in der Volksvertretung bei der Revision der Ver-
fassungsurkunde die Ansicht herrschend war, es solle bei den
anderen Verträgen schon zum Abschlusse die Zustimmung der
Kammern notwendig sein.
Zu dem gleichen Ergebnisse führt auch die Auslegung des
Art. 48 der Verfassungsurkunde selbst. Es fällt hierbei nicht als
entscheidend ins Gewicht, daß der König die Verträge „errichten“
sollu1). Daß der König die Verträge abschließt, ist nicht zweifel-
haft. Es fragt sich nur, ob er dazu die Zustimmung des Land-
tages bedarf. Das Verhältnis kann ebenso liegen wie bei der
Gesetzgebung. Auch die Gesetze werden vom Könige allein er-
lassen, doch darf er dies nur, wenn der Landtag zugestimmt hat.
Die Bedeutung der Bestimmung ist dagegen aus dem Worte
„Gültigkeit“, womit die preußische Verfassungsurkunde das „elfet"
der belgischen Verfassung übersetzt hat, zu entnehmen. Das Wort
"esset“ deutet darauf hin, daß man die Wirksamkeit, nicht den
Abschluß des Vertrages von der Zustimmung der Volksvertretung
abhängig machen wollte, und in diesem Sinne hat sich auch die
belgische Praxis entschieden. Diese Auffassung wird jedoch für
das preußische Staatsrecht ausgeschlossen, indem man „elfet“ nicht
wörtlich, sondern mit „Gültigkeit“ übersetzte. Unter der Gültig-
keit eines Vertrages kann man augenscheinlich nicht ohne der
Sprache Zwang anzutun die Erfüllung und den Erlaß der zu
seiner Ausführung notwendigen staatlichen Akte verstehen. Gültig
ist ein Rechtsgeschäft, wenn die für seinen Abschluß bestehenden
sormellen und materiellen Vorschriften beobachtet sind. Wird also
zur Gültigkeit eines Vertrages die Zustimmung des Landtages
erfordert, so heißt dies nicht, daß der Staat ohne sie den Vertrag
nicht erfüllen, sondern daß er ihn nicht abschließen kann. Noch
10) Vgl. Stenographische Berichte der 2. Kammer 1849 Bd. 1,
S. 329—343; Stenographische Berichte der 1. Kammer 1849/50 Bd. 3,
S. 1216.
11) Den in der V. gebrauchten Ausdruck „errichten“ hält u. a.
Gneist a. a. O. als für die Beurteilung der Rechtsfrage im vorliegenden
Falle entscheidend.