8182 Das Enteignungsrecht. 327
öffentlichem Rechte handelt, wird später darzutun sein. Aber selbst
wenn man einen solchen annehmen wollte, bleibt es vollständig
unerklärt, wieso das öffentliche Recht stärker ist als das Privatrecht,
und das Recht ein Recht vernichten kann.
Eine vierte juristische Erklärung faßt das Eigentum auf als
Erzeugnis des Rechts, weshalb es auch vom Rechte jederzeit wieder
aufgehoben werden könne, und hieraus rechtfertige sich die Ent-
eignungs). Das heißt also, Eigentum und Enteignung sind Er-
zeugnisse des Rechtes, sie sind zwei aus der bestehenden Rechts-
ordnung sich ergebende Einrichtungen, von denen das eine das
andere aufhebt. Der Grund ihres Bestandes liegt aber eben darin,
daß sie bestehen.
Endlich L. v. Stein verzichtet auf jede juristische Lösung und
meint, es sei gänzlich hoffnungslos, die Enteignung als einen
Rechtsbegriff aus dem Wesen von Recht und Staat entwickeln
zu wollen, sie sei nur als soziale Erscheinung zu begreifen, indem
die staatsbürgerliche Gesellschaft, die das freie individuelle Grund-
eigentum begründet habe, es auch jederzeit wieder entziehen könneg).
Die Unrichtigkeit dieser sozialen Erklärung ergibt sich schon daraus,
daß sie auf das bewegliche Eigentum nicht paßt. Aber auch an
der Möglichkeit der juristischen Erfassung ist nicht zu verzweifeln.
Das Privatrecht umfaßt die rechtlichen Beziehungen der
Privatpersonen zueinander. Das Privateigentum als eine Ein-
richtung des Privatrechtes ist also nur ein subjektives Recht gegen-
über anderen Privatpersonen. Dagegen reicht das Privateigentum
nicht über den Kreis des Privatrechtes hinaus. Wie es insbesondere
dem Staate gegenüber kein subjektives Recht der Staatsangehörigen
gibt, so kann sich auch kein Staatsangehöriger gegenüber einem
ntatlichen Akte auf sein Privateigentum berufen. Es ist falsch,
her von einem Widerspruche zwischen öffentlichem und privatem
Rechte zu sprechen. Ein derartiger Widerspruch erscheint bei rich-
tiger Auffassung der Rechtsverhältnisse einfach als ein Ding der
nmöbglichkeit Privatrecht und öffentliches Recht liegen in ganz
verschiedenen Kreisen und können daher gar nicht miteinander
zusammenstoßen, dem Staate gegenüber gibt es gar kein Privat-
— ——
8) Lassalle, System der erworbenen Rechte Bd. 1, S. 198; M.
del a. a. O.
*) L. v. Stein, Verwaltungslehre Bd. 7 S. 297.
Sey