Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

—386 Das Verwaltungsrecht. * 1 
in die engste Verbindung miteinander gesetzt worden. Ein Patem 
war zwar auch jetzt noch Voraussetzung des selbständigen Gewerbe- 
betriebes, zu dessen Erteilung war aber der Staat nach Zahlung 
der Gewerbesteuer verpflichtet. Der Uebergang von dem Kon- 
zessionssysteme zur Gewerbefreiheit war also ganz allmählich. Das 
prenßische Gewerbesteueredikt vom 2. November 1810 beseitigt den 
bisherigen Unterschied von Stadt und Land in Beziehung auf 
den Gewerbebetrieb und hebt alle den Zünften und Innungen 
oder einzelnen Personen zugestandenen oder mit dem Besitze von 
Grundstücken verbundenen Vorrechte gegen Entschädigung auf. Dic 
bestehenden ausschließlichen Gewerbeberechtigungen einzelner Per- 
sonen oder Genossenschaften, die zwar nicht auf einem Grundstücke 
hafteten und mit ihm in untrennbarer Verbindung standen, aber 
doch im Hypothekenbuche eingetragen waren, sollten von den Re- 
gierungen gegen billige Entschädigung unter Ausschluß des Rechts- 
weges darüber aufgehoben werden. Für die Zukunft war zum 
Gewerbebetriebe in der Regel nur die Lösung eines Gewerbescheines 
bei der Steuerbehörde gegen Entrichtung der Gewerbesteuer e##- 
forderlich und ausreichend. Der Gewerbeschein durfte niemandem 
versagt werden, der bis dahin einen rechtlichen Lebenswandel g% 
führt hatte. Das Erfordernis eines besonderen Befähigungsnach- 
weises blieb bestehen für 34 namentlich benannte Gewerbe, bel 
deren ungeschicktem Betriebe gemeine Gefahr obwaltete, oder die 
eine öffentliche Beglaubigung oder Unbescholtenheit erforderteil 
Das Edikt vom 7. September 1811½) unterwarf dann den Ge 
werbebetrieb, namentlich das Hausiergewerbe, noch einigen weiteren 
Beschränkungen im polizeilichen Interesse. Die Zünfte und 
Innungen wurden zwar nicht wie in Frankreich und mehreren 
Rheinbundstaaten aufgehoben, aber jeglicher Zunftzwang fiel fort. 
Jeder Gewerbetreibende konnte nach Belieben sich einer Zuuf 
anschließen oder aus ihr ausscheiden, ohne Rücksicht auf sein 
Zunftangehörigkeit Lehrlinge und Gesellen halten, jede Zunft konnt 
durch Mehrheitsbeschluß oder durch die Landespolizeibehörde aus- 
gelöst werden. Die Zünfte und Innungen sind also nur no 
freie Privatvereinigungen der Mitglieder desselben Gewerbes zut 
Pflege gemeinsamer gewerblichen Interessen. 
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15) GS. 1811, S. 263.
	        
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