Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

300 Das Verwaltungsrecht. 8188 
Vertrieb von Lotterielosen und die Viehzucht nur insoweit, als sie 
ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält (8§ 6 GO.). Im 
wesentlichen handelt es sich bei diesen Ausnahmen um eine Rege- 
lung der Zuständigkeit zwischen Reichs= und Landesgesetzgebung- 
Auch die hier genannten, von der reichsrechtlichen Regelung ganz 
oder teilweise ausgenommenen Gewerbebetriebe werden daher im 
solgenden mit zu erörtern sein, soweit sie nicht in dem Grundbesig- 
rochte oder in dem öffentlichen Handelsrechte ihre Stelle g 
funden haben. 
Das Gesetz geht davon aus, daß vorbehaltlich der Vorschriften 
der Zoll-, Steuer= und Postgesetze der Gewerbebetrieb nur insosern 
Beschränkungen unterliegt, als die Gewerbeordnung sie selbst vor- 
schreibt oder zuläßt, daß aber niemand, der bisher zum Gewerbe- 
betriebe berechtigt war, davon ausgeschlossen werden kann, weil er 
den Erfordernissen der Gewerbeordnung nicht genügt (88 1, 5 GO.). 
Man hat diesen Grundsatz als den der Gewerbefreiheit bezeichnet- 
Allein darin kann nur ein wirtschaftlicher, aber kein juristischer 
Grundsatz erkannt werden. Die juristische Bedeutung des § 1 der 
Gewerbeordnung liegt darin, daß auf dem Gebiete des Gewerbée- 
rechtes die bisherigen Schranken des mittelalterlichen Zunftrechtes 
und des polizeistaatlichen Konzessionssystems fortfallen, aber auch 
für die Zukunft die allgemeinen Klauseln des Polizeirechtes be- 
seitigt sind, und jede polizeiliche Anordnung sich auf eine aus- 
drückliche Bestimmung der Gewerbeordnung stützen muß. Dieset 
Rechtszustand deckt sich aber nicht mit der Gewerbefreiheit. Es 
wäre damit sehr wohl vereinbar, daß jeder Gewerbebetrieb von 
dem Eintritte in eine Junung oder von einer staatlichen Verleihung 
abhängig gemacht wird, aber schwerlich würde man in diesem 
Falle von Gewerbefreiheit sprechen. Der Begriff der Gewerbe- 
freiheit ist überhaupt kein Rechtsbegriff, er ist juristisch gar nicht 
faßbar, sondern es wird damit nur der wirtschaftspolitische Grund“ 
saß ausgesprochen, daß der Gesetzgeber die Freiheit des Gewerbé“ 
betriebes weder allgemein noch vorwiegend an eine besondere Gr 
laubnis oder Zulassung knüpfen will. 
Aus dem Grundsatze, daß die Freiheit des Geverbebetritbe 
nur den gesetzlichen Beschränkungen der Gewerbeordnung unterlietzt 
werden noch verschiedene, eigentlich selbstverständliche Folgerunger 
gezogen, deren Bedeutung darin beruht, daß mehrere bisherig
	        
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