Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

38 Das Verwaltungsrecht. § 152 
bleiben. An dieser Stelle genügt es sestzustellen, daß die Unter- 
scheidung zwischen Militärverwaltung und Militärkommando sich 
nicht deckt mit derjenigen von Einzelstaats= und Reichszuständigkeit. 
Es ist zweifellos die Ausübung eines Rechts, wenn der Berechtigte 
es zwar nicht persönlich ausübt, aber die Organe zu seiner Aus- 
übung bestellt. Wäre der Kaiser Jnhaber der Kommandogewalt 
überhaupt, so müßte ihm die Ernennung sämtlicher mit einem 
militärischen Kommando betrauten Personen, also die Ernennung 
aller Offiziere zustehen. Die Reichsverfassung Art. 64, 606 
bestimmt aber gerade das Gegenteil. Hiernach steht nur 
die Ernennung des Höchstkommandierenden eines Kontingents 
aller Offiziere, welche Truppen mehr als eines Kontingents be- 
sehligen und aller Festungskommandanten dem Kaiser, die Er- 
neunung aller übrigen Offiziere den Bundesfürsten oder den 
Senaten der freien Städte für ihre Kontingente zu. Die Kommando- 
gewalt ist also verteilt zwischen Reich und Einzelstaaten. Ebensowenig 
ist die Militärverwaltung ausschließlich Sache der Einzelstaaten. 
Eine Verwaltungstätigkeit, welche auf die Beschaffung der Vorbe- 
dingungen und Mittel für die bewaffuete Macht gerichtet ist, muß 
anuch die Bereitstellung der notwendigen Geldmittel für das Heer 
sein. Gerade diese ist aber nicht Sache der Einzelstaaten, sondern 
des Reiches. Als Scheidelinie zwischen Reichs= und Einzelstaats- 
zuständigkeit ist also diejenige zwischen Militärkommando und 
Militärverwaltung nicht verwertbar. 
Im Anschlusse an die Ausdrucksweise der Reichsverfassung 
bezeichnete man die den Einzelstaaten auf mililärischem Gebiete 
verbliebenen Befugnisse gewöhnlich als Kontingentsherrlichkeit. Sie 
umfaßt also Befugnisse der Militärverwaltung und des Militär- 
kommandos. Da auf militärischem Gebiete die Reichszuständigkeit 
als die Grundlage, die Einzelstaatszuständigkeit als eine Aus- 
nahme erscheint, so hat dic Kontingentsherrlichkeit den Charakter 
einer verfassungsmäßigen Beschränkung der Reichsgewalt. Man 
könnte sie als ein Jus in re aliena, als eine Servitut der Einzel- 
staaten an Hoheitsrechten des Reiches bezeichnen, wobei natürlich 
jeder Gedanke an eine privatrechtliche Auffassung dieser Rechte 
fernzuhalten ist. Dieser juristische Charakter der Kontingents- 
herrlichkeit ist in Preußen schwer erkennbar infolge der Identität 
vomn Kaiser und Landesherr. Wie jedes beschränkende Recht auf-
	        
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