8190 Die Eisenbahnen. 495
eines Gesetzes noch die einer Rechtsverordnungn). Sie ist
den Bahnverwaltungen gegenüber eine Verwaltungsvorschrift,
unter welchen Bedingungen sie mit dem Publikum Fracht-
deschäfte abschließen dürfen. Im Verhältnisse von Bahn-
verwaltung und Publikum bildet sie einen Bestandteil jedes
Frachtvertrages, also Vertragsrecht. Daher sind die Bestimmungen
er Verkehrsordnung unwirksam, soweit sie zwingenden Rechts-
Ernen widersprechen. Dagegen setzen sie dispositives Recht außer
st.
Was den Preis anbetrifft, den die Eisenbahnverwaltungen als
Entgelt für die Uebernahme eines Frachtgeschäftes erheben dürfen,
so steht nach Art. 45, 46 der Reichsverfassung dem Reiche auch
gor Kontrolle des Tarifwesens zu. Das Reich soll insbesondere
dahin wirken, daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung
der Tarife erzielt, daß bei größeren Entfernungen für die Be-
fürderung von Kohlen, Koks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roh-
eisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem Be-
ürnisse der Landwirtschaft und Industrie entsprechender ermäßigter
arif und zwar zunächst tunlichst der Einpfennigtarif eingeführt
werde. Außerdem sind bei eintretenden Notständen, namentlich
ei ungewöhnlicher Teuerung der Lebensmittel die Eisenbahn-
derwaltungen verpflichtet, für die Beförderung besonders von Ge-
treide, Mehl, Hülsenfrüchten und Kartoffeln zeitweise einen dem
churfaiss entsprechenden, vom Kaiser auf Vorschlag des be-
treffenden Bundesratsausschusses festzustellenden niedrigen Sonder-
rif einzuführen. Er darf jedoch nicht unter den niedrigsten, auf
betreffenden Bahn für Roherzeugnisse geltenden Satz herab-
en.
ka
set Wenn das Reich auch in einzelnen Fällen durch die Tätigkeit
garer Behörden eine Einwirkung auf die Gestaltung des Tarif-
nnene ausgeübt hat, so sind doch allgemeine Vorschriften von
veihs wegen noch nicht ergangen. Das geltende Tarifrecht beruht
dielmehr ausschließlich auf Vorschriften der Einzelstaaten. In
reußen ist durch das Eisenbahngesetz von 1838 der nach Ablauf
½) Ugl. Entsch. des Reichsoberhandelsgerichts vom 30. November
Entsch. Bd. 19, S. 184, Entsch. des Reichsgerichts vom 6. März
6, Entsch. in Civilsachen Bd. 16, S. 152.
1878.
1886