596 Das Verwaltungsrecht. 8214
handelt hat, ebenso gültig wie eine im Etat vorgesehene Ausgabe.
Nur die Haftbarkeit der Beamten wird durch die Etatsüberschrei-
tung bewirkt. Der Etat ist also hinsichtlich der Einnahmen nichts
als Wirtschaftsplan, hinsichtlich der Ausgaben außerdem Instruk-
tion der Behörden, welche deren Zuständigkeit unberührt läßt.
Als Wirtschaftsplan hat der Etat nur eine finanzpolitische, aber
keine staatsrechtliche Bedeutung, als Instruktion der Behörden
bildet er die Grundlage der Rechnungskontrolle. Mit der Be-
rechtigung der staatlichen Einnahmen und Ausgaben hat er nicht
das geringste zu tun.
Dieser bis zum Jahre 1848 bestehende Rechtszustand sindet
seinen Abschluß in der Bestimmung des Art. 99 der Verfassungs-
urkunde, wonach alle Einnahmen und Ausgaben des Staates
für jedes Jahr im Voraus veranschlagt und auf den alljährlich
durch ein Gesetz festzustellenden Staatshaushaltsetat gebracht
werden müssen. An die Stelle des bisher allein den Staats-
haushaltsetat festsetzenden Königs tritt nunmehr die Ueberein-
stimmung des Königs und beider Häuser des Landtages. Damit
war jedoch der Weg geebnet für die Entstehung der wichtigsten
staatsrechtlichen Streitfragen, für welche unter den einfacheren
Verhältnissen der absoluten Monarchie jeder Boden gefehlt hatte,
und an welche man daher auch bei der Redaktion der Verfassungs-
urkunde vielfach gar nicht denken konnte.
Die Grundsätze des Etatsrechtes, wie sie sich aus Jahrzehnte
langer Uebung in Preußen ergaben, sind gesetzlich festgestellt in
dem Gesetze vom 11. Mai 1898 betreffend den Staatshaushalt
(sog. Komptabilitätsgesetz)).
8 214. Das Wesen des Etats.
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts galt es als aner-
kannter Grundsatz der konstitutionellen Lehre, daß die Volks-
vertretung alljährlich sämtliche Einnahmen und Ausgaben des
Staates zu bewilligen, und damit der Regierung die Möglichkeit
zur Führung der laufenden Verwaltungsgeschäfte zu geben habe-
Ob dieser Grundsatz auf einem Mißverständnisse des englischen
5) GS. 1898, S.77. Auss. Anw. vom 8. Juni 1898 — Mhl. d. inn-
Verw. 1898, S. 33 —.