8218 Geschichtl. Entwicklung des Verhältnisses von Staat u. Kirche. 637
der ständischen Machtstellung, und Geistlichkeit und Stände leisteten
dem Kurfürsten den entschiedensten Widerstand. Der Versuch der
Einführung des reformierten Bekenntnisses endete daher in dem
brandenburgischen Landtagsreverse von 1615 mit einer Nieder-
lage des Kurfürsten. Er erhält zwar freie Religionsübung für
die Reformierten. Dagegen muß er die Gesetzgebung in Glaubens-
sachen aufgeben, „denn Ihre Ch. Gu. maßen sich der Herrschaft
über die Gewissen mit nichten an, obwohl Sie Sich wohl
sonsten der Einführung der Religion als des höchsten Regals frei
und ohne Limitation vermöge aller Rechte gebrauchen könnten“,
und Gewähr leisten, daß er sein Recht der Besetzung geistlicher
Stellen nicht zum Nachteile der Lutheraner gebrauchen werde.
Die landesherrliche Gesetzgebung in Glaubenssachen hört also auf.
Sie geht aber nicht etwa auf die Kirche über, denn ein vom
Staate verschiedener kirchlicher Organismus bestand nicht, sondern
ruht überhaupt. Die Lehre jedes Bekenntnisses richtet sich nach
den aus der Reformationszeit überkommenen symbolischen Büchern
beider protestantischen Bekenntnisse. Dagegen bleibt die übrige
Gesetzgebung und Verwaltung sowohl der lutherischen Landes-
lirche wie der reformierten Kirche dem Landesherren. Der gleiche
Rechtszustand wurde in den folgenden Jahrzehnten für die übrigen
Gebiete des brandenburg-preußischen Staates hergestellt, wobei
es allerdings in Preußen erst nach schweren Kämpfen gelang,
die Gleichberechtigung der Reformierten durchzusetzen. In Kleve-
Mark wird unter dem großen Kurfürsten die bisherige synodale
Verfassung beider protestantischen Kirchen verdrängt durch ein
landesherrliches Kirchenregiment, welches die Synoden zwar nicht
beseitigt, aber sie zu seinen Organen herabdrückt. Die reichsrecht-
liche Regelung durch den Westfälischen Frieden hat an den be-
stehenden Zuständen nichts geändert. Sie erkannte die Reformierten
als Augsburgische Konfessionsverwandte an und beschränkte das
landesherrliche Reformationsrecht durch das Normaljahr von 1624.
Aufgabe der staatlichen Kirchenpolitik wurde es zunmehr,
während des ganzen 17. Jahrhunderts, vermöge der Gewalt,
welche das landesherrliche Kirchenregiment dem Staate über die
protestantischen Kirchen gab, Ausschreitungen der beiden Kon-
essionen gegen einander zu verhindern und sie an gegenseitige
Duldung zu gewöhnen. Hierdurch gelang es zum ersten Male