640 Das Verwaltungsrecht. 218
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so lag kein Grund vor, das gleiche Recht, welches er gegenüber
den protestantischen Landeskirchen hatte, nicht auch gegenüber der
katholischen Kirche in Anspruch zu nehmen.
Das Territorialsystem erkennt daher die einzelnen Religions-
gesellschaften, worunter es aber bloß die Einzelgemeinden ver-
steht, in ihrem vom Staate unabhängigen rechtlichen Sonder-
bestande an, stellt sie aber durchaus unter staatliche Verwaltung.
An diesem letzteren Punkte drohte das ganze Territorialsystem
zu scheitern, wenn man es auf die katholische Kirche mit ihrer
selbständigen Organisation anwandte. Diese innere Verschieden-
heit der katholischen Kirche von der protestantischen wird jedoch
künstlich verdeckt, indem man die katholischen Geistlichen für Staats-
beamte, die katholischen Kirchenbehörden für Staatsbehörden er-
klärt und auch hinsichtlich der Katholiken die über die Einzel-
gemeinde hinausgehende Einheit der Kirche nur als Glaubens-
gemeinschaft, nicht als Rechtsgemeinschaft auffaßt. Durch dieses
Versteckspiel hatte man die gleichmäßige Anwendbarkeit des Terri-
torialsystems auf die katholische und die protestantischen Firchen
erreicht. Der Staat enthält sich also jedes Einflusses auf das
lirchliche Dogma. Bei allen drei Kirchen wird aber der über die
Einzelgemeinde hinausgehende rechtliche Sonderbestand verneint,
alle drei sind abgesehen von Glaubenssachen der ausschließlichen
staatlichen Gesetzgebung unterworfen und stehen unter ausschließ-
licher Staatsverwaltung, da alle Kirchenbehörden und Kirchen-
beamten den Charakter von Staatsorganen haben.
Für die protestantischen Kirchen bedeutet das Territorial=
system insofern einen Fortschritt, als ihr rechtlicher Bestand wenig-
stens in den Einzelgemeinden anerkannt wird. Dagegen wird
die katholische Kirche zum mindesten formell in das gleiche Ab-
hüngigkeitsverhältnis zum Staate versetzt wie die protest intischen.
Als Folgerungen ergaben sich hieraus für die katholische Kirche
das landesherrliche Placet für alle kirchlichen Erlasse, da die
Gesetzgebung entweder unmittelbar oder mittelbar vom Staate
ausgehen muß, das staatliche Nominationsrecht für die Bischofs-
stühle, allenfalls unter Scheinwahl der Kapitel, Amortisations-
gesetze, welche den Vermögenserwerb seitens der katholischen Kirche
beschränken, das Verlangen der Leislung des Homagialeides seitens
der gesamten katholischen Geistlichkeit.