8219 Der Staat und die Religionsgesellschaften überhaupt. 649
Verbindungen zur öffentlichen Feier des Gottesdienstes, worunter
aber nach der Lehre des Territorialsystems nur die Einzelgemeinden
zu verstehen sind), und geistliche Gesellschaften, d. h. Vereini-
gungen zu gewissen anderen besonderen Religionsübungen. In
ähnlicher Weise unterscheidet die Verfassungsurkunde Art. 12
und 13 zwischen Religionsgesellschaften, die aber nicht nur Einzel-
gemeinden, sondern Rechts= und Glaubensgemeinschaften sind, und
geistlichen Gesellschaften.
An und für sich sind alle religiösen Vereinigungen nur
Privatvereine ohne korporative Rechte. Von jeher haben sich je-
doch einige Arten von ihnen im Besitze von Korporationsrechten
befunden. Die Verfassungsurkunde hat diesen Zustand aufrecht
erhalten, bestimmt jedoch in Art. 13, daß die Religionsgesell-
schaften, sowie die geistlichen Gesellschaften, welche keine Kor-
porationsrechte haben, diese Rechte nur durch besondere Gesetze
erlangen können. Dabei ist es auch nach Art. 84 Ec. zum BG#.
verblieben. Da die Religionsgesellschaften sich nicht mit den land-
kechtlichen Kirchengesellschaften decken, so ist nicht etwa die Bil-
dung jeder neuen Parochie an den Erlaß eines Gesetzes geknüpft,
sondern es bedarf eines solchen nur dann, wenn religiöse Gemein-
schaften von einem Bekenntnisse, dessen Verbindungen bisher keine
Korporationsrechte gehabt haben, wie z. B. die sreireligiösen Ge-
meinden, solche erlangen wollen. Die Religionsgesellschaften zer-
sallen demnach in zwei Hauptarten, solche, denen Korporations-
rechte verliehen sind, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist.
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7) Vgl. Svarez bei der Revision der Monita — v. Kamptz,
Jahrb. Bd. 58, S. 73 —: „Es gibt keine allgemeine Kirchengesellschaft im
Staate, sondern nur einzelne besondere Gesellschaften, die durch kein äußeres
and mit einander verknüpft sind. Dieser Satz, auf dem Herr v. Tevenar
so sehr besteht, hat wohl seine unbezweifelte Richtigkeit, die ich hier nicht
in beweisen brauche. Selbst die unitatem ecclesiae, die von den Catholiquen
salviert wird, kann man höchstens nur in Ansehung des Lehrbegriffs und
m theologischen, aber nicht im politischen und rechtlichen Verstande gelten
assen, wenn man nicht die ganze Hierarchie mit allen ihren der Vernunft
und dem Wohle des Staates so nachteiligen Folgen autorisieren will.
Indessen, wenn man sich gleich allerdings nur so viel einzelne Kirchen-
Lesellschaften, als Kirchengemeinden im Staate sind, denkt, so gibt es doch
eine Anzahl von Wahrheiten und Sätzen, die alle diese Societäten mit ein-
ander gemein haben, usw.“