9•220 Der Staat und die evangelische Kirche. 671
Der Unterhalt der evangelischen Landeskirche erfolgt in erster
Linie durch die vom Staate nach Maßgabe des Staatshaushalts-
Etats gewährte Ausstattung. Insbesondere ist die Pfarrbesoldung
unter Erhöhung der staatlichen Zuschüsse durch Staatsgesetz vom
26. Mai 1909 ) mit rückwirkender Kraft vom 1. April 1908 ab
und durch Kirchengesetze der einzelnen Landeskirchen geregelt.
Außerdem hat die evangelische Landeskirche in ihren einzelnen
Teilen wie als Gesamtheit ein selbständiges Besteuerungsrecht für
kirchliche Zwecke ausdrücklich eingeräumt erhalten. Die Kirche übt
dieses Recht aber nur innerhalb der ihr vom Staate gezogenen
Schranken.
Die Einzelgemeinde kann Umlagen für ihre kirchlichen Zwecke
ausschreiben. Derartige Beschlüsse können jedoch erst dann voll-
streckt werden, wenn sie von der Staatsbehörde für vollstreckbar
erklärt sind. Zuständig hierfür ist der Regierungspräsident, in
Berlin der Polizeipräsident. Ueber die Erteilung der Erklärung
hat die Staatsbehörde frei zu entscheiden. Die Erklärung ist ins-
besondere zu versagen, sofern Bedenken hinsichtlich der Ordnungs-
mäßigkeit der Auferlegung, der Angemessenheit des Beitragsfußes
oder der Leistungsfähigkeit der Pflichtigen bestehen (Art. 3 des Ges.
vom 25. Mai 1874). Die Kreissynoden können für ihre Be-
dürfnisse Umlagen auf die einzelnen Gemeinden ausschreiben.
Gegen diese Beschlüsse steht den Gemeinden binnen 21 Tagen nach
der Zustellung die Beschwerde an den Regierungspräsidenten, in
Berlin an den Polizeipräsidenten zu (Art. 3 des Ges. vom 3. Juni
1876, V. vom 9. September 1876). Die Provinzialsynode endlich
hat das Umlagerecht unter derselben Beschränkung wie die Einzel-
gemeinde. Die Bestätigung ist hier Sache des Oberpräsidenten
(Art. 11 a. a. O.). Endlich hat auch die Landeskirche als Gesamt-
heit ein Besteuerungsrecht. Die Gesamtsumme der Umlagen darf
für provinzielle und landeskirchliche Zwecke vier Prozent der
Gesamtsumme der Klassen= und Einkommensteuer der zur evan-
gelischen Landeskirche gehörigen Bevölkerung nicht übersteigen. Wie
viel von den innerhalb dieser Grenzen zulässigen Umlagen durch
die Provinzialsynoden und wie viel durch die Generalsynode aus-
geschrieben werden darf, wird durch landeskirchliche Gesetze be-
stimmt. Kirchengesetze, welche diesen Prozentsatz überschreiten oder
.
u) G. 1909, S. 113.