Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8222 Der Staat und die übrigen Religionsgesellschaften. 689 
Aufgebote, Trauungen und über die Führung der Kirchenbücher 
sind mit Einführung der Zivilstandsregister gegenstandslos ge- 
worden. Seit dem Gesetze vom 23. Mai 1908 können die Alt- 
lutheraner auch ihre gottesdienstlichen Gebäude Kirchen neunen 
und sich der Glocken bedienen. 
3. Die korporative Stellung der Mennoniten ist durch Gesetz 
vom 12. Juni 1874)), diejenige der Baptisten durch Gesetz vom 
. Juli 18755) für den ganzen damaligen Umfang der Monarchie 
geregelt worden. Mennoniten= und Baptistengemeinden können 
Korporationsrechte erlangen durch gemeinschaftliche Verfügung der 
Minister der Justiz, des Innern und der geistlichen Angelegen- 
heiten. Die Erteilung ist nur zulässig, darf aber auch dann 
nicht versagt werden, wenn 1. der Bezirk der Gemeinde geographisch 
abgegrenzt ist, 2. nach der Zahl und Vermögenslage der dazu 
gehörigen Mitglieder anzunehmen ist, daß die Gemeinde den von 
ihr behufs Ansübung des Gottesdienstes nach ihren Grundsätzen 
zu übernehmenden Verpflichtungen dauernd zu genügen imstande 
sein wird, 3. in dem Statute der Gemeinde keine Festsetzungen 
getroffen sind, welche mit den allgemeinen gesetzlichen Bestim- 
mungen im Widerspruche stehen. Ausgehoben sind die Vorschriften, 
wonach Mennoniten zu persönlichen Abgaben und Leistungen an 
evangelische oder katholische Kirchensysteme verpflichtet waren, 
insbesondere das Edikt vom 30. Juli 1789. Dagegen sind die 
dinglichen Verpflichtungen dieser Art, insbesondere die kraft be- 
sonderen Rechtstitels auf bestimmten Grundstücken haftenden oder 
doch allen Grundstücken einer bestimmten Klasse in dem Bezirke 
ohne Unterschied des Besitzers obliegenden unberührt geblieben. 
4. Die Rechtsverhältnisse der jüdischen Gemeinden sind nur 
zum kleinen Teile übereinstimmend für das ganze Staatsgebiet, 
im übrigen für die einzelnen Landesteile verschieden geregeltoy. 
Grundsätzlich sind auch die jüdischen Gemeinden nur rechtsfähige 
rivatvereine. Aber sie ragen nach zwei Richtungen in das 
öfentliche Recht hinein. Die Mitgliedschaft beruht nicht auf einer 
besonderen Willenserklärung des einzelnen, sondern auf der Tat- 
sache, daß er Jude ist. Und die Beiträge werden nicht im Zivil- 
— — 
4) GS. 1874, S. 238. 5) GS. 1875, S. 374. 
é6) Vgl. Makower, Ueber die Gemeindeverhältuisse der Juden in 
Preußen Berlin 1873. 
Vornhak, Preußisches Staatsrecht. III. 2. Aufl. 44 .
	        
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