8223 Staat, Kirche und Schule in geschichtlicher Entwicklung. 701
usw. gerecht zu werden oder alle diese Schwierigkeiten auf einmal
zu überwinden. Die Regierung hat daher in den letzten Jahrzehnten
den Weg gewählt, statt des Erlasses eines allgemeinen Unter-
richtsgesetzes, welches voraussichtlich niemals zustande kommen
wird, einzelne Gegenstände des Unterrichtswesens darch Sonder-
gesetze zu regeln, auf die in den folgenden Paragraphen zurück-
zukommen sein wird. Daneben bestehen die älteren Rechtsquellen
der einzelnen Landesteile und subsidiär in den landrechtlichen.
Gebieten die Bestimmungen des A. L. R. II, 12 fort. Bei dieser
mangelhaften rechtlichen Regelung ist der freien Verwaltungs-
tätigkeit der Behörden ein größerer Spielraum gelassen als auf
jedem anderen Verwaltungsgebiete. Die Verfassungsnovelle vom
10. Juli 1906 — sog. Lex Schiffer — hat dann die Verheißung
eines allgemeinen Unterrichtsgesetzes überhaupt preisgegeben und
sordert nur gesetzliche Regelung des Unterrichtswesens.
Die Behördenorganisation löst sich während des 19. Jahr-
hunderts mehr und mehr von der kirchlichen. Nachdem durch
die Steinsche Verwaltungsreform von 1808 die gesamte innere
Verwaltung einschließlich der Kirchen= und Schulsachen in den
Regierungen vereinigt worden war, blieb ihnen seit 1815 nur
die Regelung einiger äußeren kirchlichen Verhältnisse und das
Elementarschulwesen. Die Verwaltung des höheren Schulwesens
ging dagegen zugleich mit der kirchlichen Verwaltung auf die
neubegründeten Konsistorien über. Auch an dieser Stelle vollzog
sich die Auseinandersetzung zwischen Kirche und Schule durch die
bereits erörterte Scheidung des Konsistoriums in zwei Behörden,
Konsistorium und Provinzialschulkollegiumue). Als oberste Stelle
bestand seit 1817 das Ministerium für geistliche, Unterrichts-
und Medizinalangelegenheiten. Demnach war seit 1845 nur noch
die Orts= und Kreisschulinspektion der Volksschulen mit der kirch-
lichen Verwaltung verbunden. Dies war um so bedenklicher, als seit
Erlaß der Verfassungsurkunde die Geistlichen als solche den
Charakter von Staatsbeamten verloren hatten, und bei der not-
wendigen Verbindung der Schulinspektion mit dem geistlichen Amte
die erstere als ein eigenes Recht der Kirche erschien. Das Schul-
aufsi ärz 19 « 4
ufsichtsgesetz;z vom 11. März 187215) hat hier das Recht des
18) § 218.
19) GS. 1872, S. 183.