80 Das Verwaltungsrecht. § 108
vom 21. Juli 1846, jedoch mit der Maßgabe, daß die Beschwerden
in Lehns-, Fideikommiß= und Stiftungssachen ausdrücklich an das
Justizministerium verwiesen wurden. In Strafsachen wurde zufolge
der Verordnung vom 3. Januar 1849 § 265) zwar die Bestätigungs-
befugnis des Justizministers bei strafrichterlichen Urteilen auf-
gehoben, dagegen blieb die des Königs im Widerspruche mit dem
Geiste der Verfassungsurkunde bestehen. Auch dieser letzte Rest einer
cigenen Rechtsprechung des Königs ist jedoch jetzt verschwunden,
indem 8 485 der Reichsstrafprozeßordnung in Uebereinstimmung
mit der 1867 für die neuen Provinzen erlassenen Strafprozeß=
ordnung vorschreibt: „Todesurteile bedürfen zu ihrer Vollstreckung
keiner Bestätigung. Die Vollstreckung ist jedoch erst zulässig, wenn
die Eutschließung des Staatsoberhauptes und in Sachen, in denen
das Reichsgericht in erster Instanz erkannt hat, die Entschliehung
des Kaisers ergangen ist, von dem Begnadigungsrechte keinen Ge-
brauch machen zu wollen.“ Damit sind die letzten Spuren der Aus-
übung einer höchsten rechtsprechenden Gewalt durch den König
beseitigtto).
In allgemeinen besteht das Ergebnis dieser Entwicklung darin,
daß nach verfassungsrechtlicher Richtung jede Einwirkung des Königs
auf die Entscheidung des einzelnen Falles und damit jede Kabinetts-
justiz ausgeschlossen, nach der verwaltungsrechtlichen Seite eine
richterliche Behörde der anderen nur insoweit unterstellt ist, als das
Gesetz eine solche Unterordnung durch seine Bestimmungen über die
Rechtsmittel ausdrücklich ausspricht. Es ist mit einem Worte die
richterliche Unabhängigkeit der Gerichte gegenüber dem Könige und
den vorgesetzten Behörden gewährleistet. Wie bei der gesetzgebenden
und der Regierungsgewalt enthält aber auch bei der richterlichen
Gewalt die preußische Verfassungsurkunde keine Bestimmung dar-
über, was Gegenstand der richterlichen Gewalt ist. Der Begriff ist
nur formell nach der Art des Zustandekommens der betreffenden
Staatsakte durch unabhängige Gerichte, nicht materiell nach seinem
Inhalte zu umgrenzen. Indem die Verfassungsurkunde die Gegen-
stände der unabhängigen richterlichen Tätigkeit nicht aufzählt, läßt
*) GS. 18490, S. 14 ff.
10) Vgl. über die Entwicklung des landesherrlichen Bestätigungs“
rechtes zum bloßen Begunadigungsrechte Stölzel, Br. Pr. Rechtsver“
waltung und Rechtsverfassung Bd. 2, S. 697 ff.