Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

§ 159 Der Organismus der Gerichtsbehörden. 87 
jedoch in Preußen die streitige und freiwillige Gerichtsbarkeit den- 
selben Behörden übertragen ist, so treffen hier die reichsrechtlichen 
Vorschriften die Gerichte überhaupt. 
Indem Art. 86 und 87 der Verfassungsurkunde die Aus- 
übung der richterlichen Gewalt im Namen des Königs und die 
Ernennung der Richter durch den König oder in dessen Namen 
vorschrieben, beabsichtigten sie allerdings nur, den staatlichen 
Charakter der Justiz zum Ausdrucke zu bringen. Es var aber 
damit nicht nur bestimmt, daß innerhalb des preußischen Staats- 
gebietes alle Gerichtsbarkeit eine staatliche, sondern auch, daß sie 
eine solche des preußischen Staates sein müsse. Nun stellte 
es sich aber bei der gleichmäßigen Organisation der Gerichte in 
ganz Deutschland auf Grund des Gerichtsverfassungsgesetzes ver- 
schiedentlich als wünschenswert heraus, daß die Gebiete verschiedener 
Staaten gemeinschaftlichen Gerichten unterstellt wurden. Sofern 
durch solche Verträge deutscher Staaten untereinander preußische 
Gebietsteile nicht rein preußischen Gerichten unterworfen werden 
sollten, wäre die Ausführung dieser Verträge für Preußen ver- 
fassungswidrig gewesen. Man fügte daher hinter den Art. 86 und 
87 der Verfassungsurkunde durch die Verfassungsnovelle vom 
19. Februar 1879 einen Art. 87a# ein: „Bei der Bildung gemein- 
schaftlicher Gerichte für preußische Gebietsteile und Gebiete anderer 
Bundesstaaten sind Abweichungen von den Bestimmungen des 
Art. 86 und des ersten Absatzes in Art. 87 zulässig.“ Die Ver- 
einigung preußischer und außerpreußischer Gebietsteile unter einem 
Gerichte hat entweder in der Weise stattgefunden, daß preußischen 
Gerichten eine Gerichtsbarkeit im Gebiete anderer Staaten ein- 
geräumt wurde, wobei die fremden Staaten zu den Kosten beizu- 
tragen und zum Teil auch einige Richterstellen bei den betreffenden 
preußischen Gerichten zu besetzen haben, oder so, daß gemeinschaft- 
liche Gerichte der beteiligten Staaten errichtet wurden)). 
—— 
  
6) Die hier in Betracht kommenden Verträge sind folgende: mit 
Oldenburg vom 20. August 1878 — GS. 1879, S. 1656 ff. —, mit 
chwarzburg-Sondershausen vom 7. Oktober 1878 — a. a. O. S. 173ff. 
mit Anhalt vom 9. Oktober 1878 — a. a. O. S. 182 f. —, mit Lippe 
bom 4. Januar 1879 — a. a. O. S. 219f f. —, mit Sachsen--Meiningen 
und Sachsen-Koburg-Gotha vom 17. Oktober 1878 und 22. November 
1903 — a. a. O. S. 189 ff.; 1904, S. 247 —, mit Sachsen--Meiningen
	        
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