Widerspruch vorhanden ist; im Grunde geht die Meinung jener bei-
den dahin, daß die prätendirte Thatsache selbst nicht vollständig ist,
so lange die Anerkennung derselben von Seiten Derer, über welche
die Herrschaft in Anspruch genommen wird, nicht erfolgt ist. Dieser
Gedanke hat seine volle Berechtigung; denn zunächst, woher sollte,
abgesehen von den Fällen einer Unterwerfung durch Auswärtige,
die Macht, die Unterthanen in Gehorsam zu halten, genommen wer-
den, wenn dieselben nicht mindestens theilweise ihre Kräfte dem
Herrscher zur Verfügung stellten und die Mehrzahl nicht wenigstens
auf aktiven Widerstand einstweilen verzichtete!? Die Anerkennung
erhebt so die Thatsache zur vollendeten Thatsache #8). Noch tiefer ist
die Begründung desselben Gedankens durch die Hinweisung auf die
im Wesen des Staates liegende Verfolgung gemeinschaftlicher Zwecke;
wenn die einer Gewalt Unterworfenen gar nicht das Bewußtsein
einer Gemeinsamkeit der Zwecke mit dem Herrscher haben, so ist
dies ein Beweis, daß ihre Zwecke gar nicht vom Herrscher verfolgt
werden, daß also kein Staat nach seiner wahren Idee besteht. Die
Besitztheorie wird durch diese Hineinziehung der Anerkennung aus-
gefüllt und veredelt; aber ihr specifischer Mangel, die Ignorirung
des eigenthümlichen Gehalts des Rechts, wird nicht gehoben ½). In
letzter Instanz freilich wird die Befestigung des Besitzstandes und
die Pflege der Interessen der Unterthanen, zumal wenn sie sich nicht
189)) Vgl. namentlich Fröbel, I, S. 30. Daß nur das einstweilige Aufge-
ben unnützen Kampfes, ohne Verzicht auf rechtliche und politische Ueberzeugungen
und unter Vorbehalt der Benutzung günstigerer Umstände, in dem Begriff des
fait accompli liegt, zeigt die Redewendung, durch welche Odilon Barrot diesen
Ausdruck in die politische Terminologie einführte: „J’aimais à prendre acte
des paroles du nouveau ministère (Molé, 1836), qui nous invitait à ne plus
nous occuper désormais qdue de P’avenir du pays sans récrimination sur
le passé. Nous avions accepté des faits aecomplis, Ciest-à-dire que,
sans renoncer à nos convictions, sans abandonner notre religion politique,
en face d’une majorité dont Phonneur, la dignité meme étaient engagés
dans toutes les mesures dui ont 6té adoptées, nous avions consenti à ne
pas renouveler vainement, et au grand risque de compromettre la paix
du pays, des questions sur lesquelles nous ne pouvions espérer, qduant à
Présent, un solution conforme à nos convictions.“ (Dict. de la Politique
b S. 1009).
190) Gerade der Umstand, daß Frantz, der nicht auf eine rechtliche Begrün-
dung des Staats und der Staatsgewalt ausgeht, für seine physiologische Be-
trachtung dieselben Momente geltend macht, kann nur dazu beitragen, jenen
Mangel noch deutlicher hervortreten zu lassen.