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Europas zu unternehmen, doch noch weit bis zu einer aus-
drücklich für dieselbe übernommenen Garantie 1), in welcher
die Pflicht wie das Recht gelegen haben n#ürde, jede auf
eine Umänderung der zu Wien vereinbarten Rechtsverhält-
nisse zielende Unternehmung im Irnteresse der garantirten
Staatenordnung auf jede völkerrechtlich zulässige Weise, mithin
nöthigenfalls selbst durch Waffengewalt zurückzuweisen. Und
doch mußte gerade beim Abschlusse des wiener Vertragswerks
eine Collectiogarantie der neugeschaffenen Ordnung in hohem
Maße nothwendig erscheinen; die Gefahr des Umsturzes und
der Eroberung war wiederum beängstigend nahe getreten.
Napoleon war zum zweiten mal auf der Bühne der euro-
päischen Geschichte erschienen; der zu Ehren der Legitimität
wiedererrichtete Bourbonenthron war zum zweiten mal zu-
sammengebrochen, und noch war es nicht gelungen, Napoleon
niederzuwerfen.
1) Heffter, Europäisches Völkerrecht, 4. Ausg., S. 179: „Bei einem
unter mehr als zwei Parteien geschlossenen Vertrage ist nicht etwa
jeder Theilnehmer in Ansehung der die andern individuell be-
treffenden Stipulationen als Gewährsmann zu betrachten, wennnicht
auch dieses verabredet worden.“ Bluntschli, Modernes Völker-
recht (Nördlingen 1868), §. 431, 432. Auch hat die Deutsche Bundes-
versammlung (Beschluß vom 18. Sept. 1834: Meyer's Staatsacten,
II, 475 fg.) die Annahme, als sei durch die Unterzeichnung der Wie-
ner Congreß-Acte ein gegenseitiges Garantieverhältniß aller Congreß-=
mächte für die in derselben enthaltenen Bestimmungen, somit auch für
die Deutsche Bundesacte entstanden und damit ein Recht der Ein-
mischung in die innern Angelegenheiten des Deutschen Bundes den aus-
wärtigen Mächten gewährt worden, wiederholt Frankreich und England
gegenüber auf das entschiedenste zurückgewiesen. Vgl. hierüber auch
Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, 3. Aufl., I, 183, 184; II,
638, Note 2. Zöpfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts,
5. Aufl., I, 275.