Full text: Das Legitimitätsprincip.

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Völker nachgeben zu müssen geglaubt: auf dem Wiener Con- 
gresse wurde die Einführung landständischer Verfassungen meh- 
rern Nationen ausdrücklich verheißen, theils um früher ge- 
gebene Versprechen zu lösen, theils um die ungeheuern Un- 
vollkommenheiten der in den Wiener Verträgen getroffenen 
Bestimmungen einigermaßen zu verdecken, besonders aber um 
einzelne Völker für die verloren gegangene völkerrechtliche Un- 
abhängigkeit durch ein bescheidenes Maß staatsrechtlicher Selb- 
ständigkeit zu entschädigen. 7 
Aber trotz der mehrfach gegebenen Zusage constitutioneller 
Staatsordnungen, ja trotz der Einführung wirklicher Repräsen- 
tativverfassungen waren die Regierungen doch überall der neuen 
Staatsform mehr oder weniger misgünstig gesinnt. Vielmehr 
hatten sie die Zulässigkeit derselben in dem neugeordneten Eu- 
ropa nur deshalb eingeräumt, weil sie sich nicht für stark 
genug hielten, die von allen Seiten erhobene Forderung grund- 
sätzlich zu verwerfen. 
Einmal mußte die Zumuthung eines Verzichts auf die 
unbeschränkte Ausübung der Staatsgewalt schon deshalb hart- 
näckigen Widerstand finden, weil alle die Segnungen des Con- 
stitutionalismus, von denen die continentalen Politiker träum- 
ten, auf dem bis dahin größtentheils absolut regierten euro- 
päischen Festlande noch niemals hatten wahrgenommen werden 
können, keine Erfahrung somit die Vortrefflichkeit dieser Re- 
gierungsform bewies. 
Dann aber war für viele Fürsten die Wohlfahrt und der 
Fortschritt ihrer Länder überhaupt kein Preis, für welchen 
sie ihre Rechte auch nur zum kleinsten Theile hätten aufgeben 
mögen. 
1) Vxgl. Gervinus, a. a. O., I, 257—259.
	        
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