VI.
Das göttliche Recht der legitimen Herrscher.
Es mag auf die Verbreitung der Lehre von dem gött-
lichen Ursprunge der fürstlichen Gewalt die religiöse Vertiefung
nicht ohne Einfluß gewesen sein, welche nach der Besiegung
Napoleon's um sich griff. 1) Das Wiedererwachen starker reli-
giöser Bedürfnisse konnte nicht ohne Rückwirkung auf die po-
litischen Anschauungen sein. Auch ist die Stiftungsurkunde
der Heiligen Allianz ein redender Beweis dafür, wie durch-
tränkt und durchräuchert von christlichen und theokratischen
Vorstellungen und Planen die Atmosphäre war, in welcher die
hervorragendsten Politiker der Zeit, insbesondere der Kaiser
Alexander von Rußland, sich bewegten. )
Aber es ist keineswegs nöthig und würde ebenso wenig
richtig sein, wollten wir die Lehre von dem göttlichen Ursprunge
des Königthums aus der religiösen Strömung erklären, welche
nach dem gegen Napoleon geführten Entscheidungskampfe durch
die europäische Gesellschaft ging. Denn die Rechtfertigung der
von den Fürsten in Anspruch genommenen Gewalt durch eine
1) Gervinus, a. a. O., I, 349, 350, 366 fg.
2) v. Bernhardi, Geschichte Rußlands, I, 482 fg.