62 Dritter Abschnitt.
Sechstes Kapitel.e Die Gemeinden.
Vorbemerkung.
Es entspricht dem geringen Flächeninhalt und der Gliede-
rung der freien Städte, daß die Gemeindeverfassung in ihnen
eine untergeordnete Rolle spielt, und der geschichtlichen
Entwicklung, daß die Trennung der den Kern des Staates
bildenden Stadt von diesem selbst nirgends ganz scharf durch-
geführt ist*). Für Lübeck datiert die Bildung und An-
erkennung von Gemeinden im Sinne des heutigen Verwaltungs-
rechts erst von der Mitte des vorigen Jahrhunderts; nament-
lich die durch die Umgestaltung der Verfassung herbeigeführte
Teilnahme der nicht in der Stadt wohnenden Staatsangehörigen
an Gesetzgebung und Verwaltung gab Veranlassung zu einer
schärferen Unterscheidung zwischen dem — früher rein
städtischen — Staate und den Gemeinden **).
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1. Die Stadtgemeinde Lübeck.
Daß neben dem Staate oder richtiger im Staate eine
besondere mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Stadtgemeinde
Lübeck besteht, darf jetzt als allgemein anerkannt bezeichnet
werden. Wesentlich gefördert worden ist das Durchdringen
dieser Anschauung durch ein an den Bürgerausschuß gerichtetes
Dekret des Senates vom 31. Januar 1876***. Der Senat
wandte sich in diesem Dekrete gegen den in dem Berichte
einer Kommission des Bürgerausschusses enthaltenen, von
letzterem anscheinend gebilligten Satz, „daß eine Stadtgemeinde
Lübeck im rechtlichen Sinne nicht existiere“, eine Annahme,
die der Senat als ebensosehr mit den geschichtlich begründeten
wie mit den tatsächlich bestehenden Verhältnissen in Wider-
spruch tretend bezeichnete. Lübeck sei als selbständige und
*, Vgl. hierzu für Hamburg: Seelig, 8. 44f., für Bremen
Bollmann, 8. 105 ff.
**) Die Anfänge einer solchen Unterscheidung liegen
allerdings etwas weiter zurück.
***) V, d. S. mit d. B. 1876, Drucks. 1876 Nr. 1.