230 DAS ABGELEHNTE BEGRÄBNIS IM DOM
natürlich der Trauerfeier in Friedrichsruh beiwohnen. Er legte besonderes
Gewicht darauf, daß der Fürst im Berliner Dom in einem vom Kaiser zu
stiftenden und von Reinhold Begas auszuführenden Sarkophag beigesetzt
werden sollte. Seine Erregung wurde durch die Kaiserin, seine Gemahlin,
erhöht, die bei aller Güte ihres Herzens und allem Pflichtgefühl dem
großen preußischen Ministerpräsidenten nie die „Entthronung“, wie sie es
nannte, ihres Vaters verziehen hatte und dem Heimgang des Fürsten Bis-
marck kühl gegenüberstand. Dazu kam, daß der Bruder der Kaiserin, der
Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, gerade in diesen Tagen,
wo Fürst Bismarck starb, sich mit der Prinzessin Dorothea von Sachsen-
Koburg vermählen wollte. Die Kaiserin wünschte lebhaft, daß der Kaiser
beider Mittagstafelaufder „Hohenzollern‘‘ am 1.August, wo die Vermählung
in Koburg stattfinden sollte, einen Toast aufihren Bruder ausbringen möge.
Der Kaiser lehnte diesen Vorschlag nicht ohne Heftigkeit ab und nötigte
Ihre Majestät, die noch nicht Trauer für den Fürsten Bismarck angelegt
hatte, dies sofort zu tun. Er hielt ihr bei diesem Anlaß eine längere Straf-
predigt, in der er mit einem Nachdruck, den man gerade von ihm kaum
erwartet hätte, die Kaiserin, vor uns allen, darauf aufmerksam machte,
daß alles, was wie Mangel an Bewunderung oder gar an Pietät für den
Fürsten Bismarck aussehe, vom deutschen Volk nicht verzieben würde.
Am 2. August trafen der Kaiser und die Kaiserin mit ihrem Gefolge in
Friedrichsruh ein. Graf, jetzt Fürst Herbert Bismarck empfing die Maje-
stäten am Bahnhof. Der Kaiser umarmte den Fürsten und küßte ihn drei-
mal auf beide Wangen, wie dies bei feierlichen Anlässen Souveräne unter
sich zu tun pflegen. Dann kam er auf seinen Wunsch zu sprechen, den
Fürsten Bismarck im Berliner Dom beizusetzen. Dort, wo eine größere
Anzahl von Hohenzollern ruhten, sollte dem Fürsten von Reinhold Begas
ein „herrlicher‘ Sarkophag errichtet werden, den Wilhelm II. in hastigen,
sich überstürzenden Worten schilderte, die auf starke innere Erregung,
auf Befangenheit, auf Verlegenheit deuteten. Herbert Bismarck lehnte ent-
schieden, beinahe schroff ab. Seine Antwort ergriff und rührte mich. Man
sah ihm den tiefen, leidenschaftlichen Schmerz um seinen von ihm geliebten,
bewunderten, vergötterten Vater an. Aber aus seinen Augen sprach auch
männlicher Stolz, sprachen Tapferkeit und Trotz. So mag Hagen von
Tronje vor Kriemhilde gestanden haben:
Du häst ez näch döm willen zeinem ende bräht,
Und ist ouch rehte ergangen, als ich mir höte gedäht,
Nu ist von Burgonden, der edel künic töt.....
Jedes Wort betonend, führte Herbert aus, daß er sich an die letzt-
willigen Verfügungen seines Vaters halten müsse, der auf einem kleinen