Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DR. HASSE, DER ALLDEUTSCHE 475 
Schillerschen Gedicht dem von seinem Idealismus vorwärtsgetriebenen 
Jüngling, der klagt: 
Doch ach, schon auf des Weges Mitte 
Verließen die Begleiter mich, 
Sie wandten seitwärts ihre Schritte, 
Und einer nach dem andern wich. 
Als ich mit Nachdruck erklärte, in eine solche Situation hätte ich das 
deutsche Volk nicht bringen wollen und nicht bringen dürfen, erscholl 
lebhafter Beifall des bei Beginn meiner Rede nicht freundlich gestimmten 
Hauses. Ich hob noch hervor, daß ein Empfang des Präsidenten Krüger 
durch den Kaiser weder den Buren noch uns genützt haben würde. Ich fand 
Zustimmung, als ich erklärte, daß ich mich nicht zwingen lassen würde, 
England gegenüber den Don Quichotte zu spielen, die Lanze einzulegen 
und loszurennen, wo irgend in der Welt englische Windmüblen gingen. 
Uns unnötig mit der dauernden Feindschaft Englands zu belasten, würde 
eine politische Dummheit sein, für die ich die Verantwortung nicht über- 
nähme. 
Meine Rede vom 10. Dezember erfolgte als Antwort auf die verhältnis- 
mäßig maßvolle Kritik, die der konservative Graf von Limburg-Stirum 
und der nationalliberale Dr. Sattler an unserer Haltung im Burenkrieg 
übten. Der eigentliche Inspirator und Leiter der Agitation für die Buren 
war der Vorsitzende des Alldeutschen Verbandes, der nationalliberale 
Abgeordnete Dr.Hasse. Alsich am 10. Dezember zu Fuß aus dem Reichstag 
nach dem Reichskanzlerpalais zurückkehrte, begegnete ich im Tiergarten 
Herrn Dr. Hasse, der von zwei Damen begleitet war, einer älteren und einer 
jüngeren, anscheinend seiner Frau und seiner Tochter. Als er mich ver- 
legen und gereizt grüßte, sah ich in ein von Erregung und Zorn gerötetes 
Antlitz. Herr Hasse war ein kreuzbraver Mann. Ursprünglich sächsischer 
Offizier, hatte er als solcher einen Streit mit einem hannoverschen, in den 
sächsischen Dienst übergetretenen Kameraden, der sich unfreundlich über 
die Lösung von 1866 und über Preußen ausgesprochen hatte. Infolge dieses 
Auftritts war er verabschiedet worden, denn der sächsische Hof, dernament- 
lich in der ersten Zeit nach 1866 nichts weniger als preußenfreundlich war, 
protegierte die Welfen im sächsischen Dienst. Herr Hasse wurde Direktor 
des Statistischen Amts in Leipzig, später auch Professor an der dortigen 
Universität. Es war kaum möglich, redlicher, aber auch naiver zu sein, 
als er es politisch war. Unbekümmert um seine feindlichen Blicke ging ich 
auf ihn zu, reichte ihm die Hand und sagte zu ihm: „Lieber Herr Hasse, 
ich zweifle nicht an Ihrem warmen und tiefen Patriotismus. Ich weiß, Sie 
meinen es gut. Aber wenn Sie und Ihre Freunde so fortfahren, helfen alle
	        
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