Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

ENGLISCHER FELDMARSCHALL, HOSENBAND IN BRILLANTEN 507 
„Muttern“ ist die Kaiserin Auguste Viktoria gemeint, deren Einfluß er 
den Kaiser zu entziehen suchte. 
Aus England schrieb mir am 1. Februar der Generaladjutant von 
Plessen: „Eurer Exzellenz darf ich meine Eindrücke hier offen mitteilen: 
S5.M. haben durch sein schnelles Kommen, durch seine liebevolle Teil- 
nahme, durch sein frisches, tatkräftiges Eingreifen in den ersten Trauer- 
stunden hier die Herzen aller im Sturm erobert! Die ganze Königliche 
Familie stand unter seinem Charme, inklusive derjenigen Damen, welche 
uns sonst am wenigsten geneigt sind, z.B. die Königin Alexandra, die 
Herzogin von York, die Christian Holstein. Alle Umgebungen haben mir 
dies ebenso rückhaltlos ausgesprochen wie die Herrschaften selbst! Als der 
Tod der Queen herannahte, schlug ich S.M. vor, gleich danach sofort 
nach Friedrichshof zur kranken Mutter zu fahren und dann zu der vermut- 
lich nicht so bald zu erwartenden Beisetzung wieder herzukommen. Das 
würde die Welt begreifen, und hier wäre er, der Deutsche Kaiser, in dieser 
Zwischenzeit nicht dringend nötig! Er warfdies sofort weit weg! Er wäre hier 
nicht als Kaiser, sondern lediglich Enkel! Ich bin überzeugt, daß von dem 
im ersten Moment gemachten Gewinn durch unser Bleiben manches wieder 
verlorengegangen ist. Alle Umgebungen fragten uns in jener Zeit, wann wir 
abreisten, wie lange wir bleiben würden! Als man des Kaisers Entschluß 
nach und nach erkannte, hat man hier aus der Not eine Tugend gemacht. 
‚Der König hat‘, so sagte uns $. M., ‚mich zu bleiben gebeten!‘ Nun, ich 
glaube, daß vieles, was in diesen vierzehn Tagen gesprochen wurde, besser 
ungesprochen geblieben wäre. Von englischer Seite hat man jedenfalls 
nichts unversucht gelassen, uns an sich zu binden! Der ‚Feldmarschall‘, 
der ‚Hosenband in Brillanten‘ und nun diese Umfahrt durch London, um 
dem Publikum Gelegenheit zu geben, seinen Dank dem Kaiser für sein 
Kommen abzustatten! Gebe Gott, daß uns dabei kein Unglück passiert!!! 
Aus allem habe ich den Eindruck, daß den Engländern in ihren großen 
Kalamitäten (Süd-Afrika), in welche dieser Regierungswechsel fällt, bei 
ihrer allgemeinen Verhaßtheit, von der sie offen sprechen, unser Her- 
kommen und unseres Kaisers Freundschaftsbeweise unaussprechlich 
erwünscht gekommen sind. Sie sind momentan so klein, wie sie so bald 
nicht wieder sein werden! Durch unseren Herrn gehoben, fangen sie sicher- 
lich bald wieder an, ihre historische Unverschämtheit wiederzugewinnen! 
Ganz zum Überfluß mußte im Zimmer neben $.M. der Herzog von York 
an den Masern erkranken! Unser Herr war nicht dazu zu bringen, mit dem 
Kronprinzen auf die ‚Hohenzollern‘ zu ziehen. Er vertauschte nur seine 
Wohnung mit einer im entlegenen Flügel. Wären wir nur erst mit beiden 
glücklich zu Hause! Und zu Hause soll jetzt in Homburg v.d.H. ein 
längerer Aufenthalt genommen werden, weil man in Berlin sonst die 
Brief 
des Generals 
von Plessen
	        
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