EDUARD VIL. LEHNT HOMBURG AB 509
‚das hoch über deutscher Art und Sitte stünde‘. KönigEduard hatte vor der
Abreise des Kaisers aus England ihm seinen Besuch angekündigt. Obwohl
ich Seine Majestät darauf aufmerksam machte, daß der König vor allem
seine todkranke Schwester, die Kaiserin Friedrich, noch einmal sehen wolle
und deshalb lieber bei ihr im Schloß Friedrichshof absteigen würde als in
Homburg, bestand der Kaiser darauf, daß sein Onkel bei ihm wohnen
müsse und nicht in Friedrichshof. Da das Schloß in Homburg nicht für den
Winter eingerichtet war, so mußten rasch eiserne Öfen in allen Zimmern
aufgestellt werden. Einmal im Gange, verbreiteten sie eine kaum erträgliche
Hitze. Wurden dann notgedrungen die Fenster geöffnet, so fror der Gast in
der kalten Februarluft. Die Gesundheit des Generalobersten Hahnke, des
Kabinettsrats Lucanus und anderer ehrwürdiger Greise in der kaiserlichen
Suite wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Heizungsversuche fanden
dadurch ihren Abschluß, daß König Eduard seinem Neffen schrieb, er
könne seine gütige Einladung für Homburg nicht annehmen, da er mög-
lichst in der Nähe seiner armen Schwester bleiben wolle. Bei der großen
Impressionabilität Seiner Majestät bewirkte diese Absage eine merkliche
Abkühlung der kaiserlichen Empfindungen nicht nur für seinen königlichen
Oheim, sondern auch für dessen Land.
Mich beschäftigte inzwischen vor allem der Wunsch, die Annäherung
zwischen dem Kaiser und dem König und die günstige Rückwirkung der
kaiserlichen Reise auf weite Kreise des englischen Volks zu benutzen, um
zu einer für uns annehmbaren vertragsmäßigen Verständigung mit Groß-
britannien zu kommen. Schon aus Berlin telegraphierte ich an die Kaiser-
liche Botschaft in London, daß, wenn Chamberlain gegenüber Eckardstein
die Frage eines engeren Anschlusses von Großbritannien an uns und die
zentraleuropäische Friedensgruppe berühre, dieser etwa ' folgendem 6.
dankengang Ausdruck geben möge: Das deutsch-engli
auf Grund von Interessengemeinschaft habe sich neuerdings mehrfach
praktisch bewährt. Nirgends bestehe jetzt mehr zwischen uns ein eigentlicher
Gegensatz. Der friedliche Wettbewerb auf kolonialem oder wirtschaft-
lichem Gebiet des einen Landes sei auf keinem Teil des Globus unvereinbar
mit den Rechten und Interessen des anderen. Die neuerliche intime An-
näherung der beiderseitigen Herrscher habe dazu beigetragen, die Völker
einander näherzubringen. Unter diesen Umständen erscheine es nicht aus-
geschlossen, daß von unserer Seite dem Gedanken eines engeren Anschlusses
nähergetreten würde, falls derselbe eine bestimmte Gestalt an-
nehmen und in amtlicher Form angeregt würde. Die Befestigung
des Weltfriedens müsse das beiderseitige Ziel sein. Für England ebensowenig
wie für uns sei Rußland oder Frankreich allein in Betracht zu ziehen. Einer
allein würde für England wie für den Weltfrieden gleich unbedenklich
Die
Verständigung
mit England