Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

96 INDUSTRIEGEHALT UND MINISTEREINKOMMEN 
noch einige Jahre Frontdienst, wurde aber dann in den Generalstab ver- 
setzt, wo seine Vorgesetzten bald seine ungewöhnliche Begabung für das 
Eisenbahnwesen erkannten. Er nahm 1900 seinen Abschied als General- 
major. Seine Befähigung war so allgemein bekannt und anerkannt, daß 
mehrere große industrielle Unternehmungen sich bemühten, ihn als Mit- 
arbeiter zu gewinnen. Er entschied sich für die Waffenfabrik Löwe, die ihn 
mit einem für damalige Verhältnisse sehr hohen Gehalt anstellte. Als der 
Ruf an ihn erging, Minister der öffentlichen Arbeiten zu werden, fuhr ich 
mit ihm von Berlin nach dem Neuen Palais in Potsdam, um ihn dem Kaiser 
vorzustellen. Er erzählte mir unterwegs, daß es ihm schon mit Rücksicht 
auf Frau und Kinder nicht leicht falle, das große Gebalt und die noch 
größeren Tantiemen, die er jetzt beziehe, mit dem bescheidenen Einkom- 
men eines preußischen Ministers zu vertauschen. Er sei aber jederzeit bereit, 
persönliche Neigungen und alle materiellen Rücksichten dem staatlichen 
Interesse unterzuordnen. Während er noch für die Kanalvorlage focht, 
wurde er von schwerer Krankheit befallen, einem sich rapide entwickelnden 
Krebsleiden, das nicht nur von Anfang an unbheilbar und hoffnungslos er- 
schien, sondern ihm auch entsetzliche körperliche Schmerzen verursachte. 
Er stand aber bis zum letzten Hauch auf der Bresche. Auf meine Bitte ver- 
lieh der Kaiser, gern und mit Freuden, dem heldenhaften Mann auf seinem 
Sterbebette den Schwarzen Adlerorden. Frau Budde schrieb mir nach der 
Verleihung: „Eure Exzellenz wissen die schweren Stunden, welche wir 
durchgemacht haben, und daß mein Mann mit den größten körperlichen 
Schmerzen seine ihm gestellte Aufgabe gelöst hat. Bange Sorgen haben mich 
oft dabei erfüllt und wollen auch für die Zukunft nicht weichen. Daß es 
aber meinem Gatten noch vergönnt worden, diesen Erfolg zu erleben, 
dafür bin ich unendlich dankbar. Gott gebe, daß mein Mann seine alte 
Gesundheit wiederfindet, dann wird auch seine letzte Kraft dem Vaterlande 
gehören.“ Der Minister Budde starb im Frühjahr 1906. Seine junge und 
schöne Frau folgte ihm wenige Jahre später in die Ewigkeit. Ein Bruder 
von ihm war der bekannte protestantische Theologe, der über althebräische 
Literatur und biblische Geschichte wertvolle Schriften veröffentlicht hat. 
Nach der Annahme der Kanalvorlage dankte mir der Kaiser telegraphisch 
„auf das wärmste“ für die „ebenso geschickte wie tatkräftige Förderung der 
Kanalpläne“. Herr von Heydebrand-Nassadel, oratorisch und dialektisch 
nicht so begabt wie sein Vetter auf Klein-Tschunkawe, aber besonnener 
und einsichtiger, schrieb mir: „Eure Exzellenz wollen geneigtest auch mir 
einen aufrichtigen Glückwunsch gestatten. Nicht allein zu dem Aller- 
höchsten Gnadenbeweis, sondern vor allem zu dem Monumentum aere 
perennius, welches Eure Exzellenz sich selbst dadurch gesetzt haben, daß 
die deutsche Landwirtschaft, auch wenn ihre Wünsche nicht alle erfüllt sind
	        
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