EDUARD VII VERSTIMMT 127
augenblicklichen Verstimmung, im Grunde seines Herzens gute Beziehun-
gen zu uns. Viel habe wohl bei der Verstimmung die Eifersucht des Königs
auf die größere Begabung seines kaiserlichen Neffen zu tun. Auch Marokko
spiele dabei mit. Eine Zusammenkunft zwischen unserem Allergnädigsten
Herrn und König Eduard würde gewiß viel dazu beitragen, um die persön-
liche Verstimmung auf beiden Seiten zu heben. König Eduard gehöre der
alten Schule an, sei von Natur gut und wohlwollend und leicht zu gewinnen
avec de petits egards. Die Kronprinzessin von Griechenland, die, wie Sie
wissen, eine aufrichtige Bewunderung für ihren kaiserlichen Bruder, zu-
gleich aber auch viele englische Sympathien hat, bedauert die hiesige Ge-
reiztheit und gab mir darin recht, daß dafür gar kein Grund vorliege, da
wir den Engländern nichts Unfreundliches getan hätten. Auch die Prin-
zessin Friedrich Karl von Hessen bestätigte mir das Vorhandensein einer
an das Unvernünftige grenzenden antideutschen Stimmung. Ich weiß
nicht, wie Graf Seckendorff sich Ihnen gegenüber ausspricht. Da seine
Äußerungen nicht frei von persönlichen Beweggründen sind, so lege ich
ihnen kein allzu großes Gewicht bei. Hier suchte er beschwichtigend zu
wirken, aber ohne sonderlichen Erfolg. Er erzählte hier, daß wir unsere
Flotte bauten, damit wir ein wertvoller Bundesgenosse für England
werden. Die Engländer mokierten sich natürlich über dergleichen Versuche
im jetzigen Moment. Es hat, wie ich aus guter Quelle weiß, König Eduard
ganz besonders verstimmt, daß man in Deutschland geglaubt und ver-
breitet hätte, England wolle die Franzosen nur in die Marokko-Affäre
hineinjagen, um sie mit uns zu verhetzen und sie dann sitzenzulassen. Mich
sucht man hier bei Hofe, besonders von gelegentlich durchreisenden Lands-
leuten, auch anzuschwärzen und einer stark antienglischen Politik zu be-
schulligen. Diese Bemühungen haben bisher aber hier keinen Erfolg ge-
habt, besonders nicht bei König Eduard. Ich vermute, daß dieselben Ge-
legenheitsbesucher mich in Berlin oder Norderney einer anglophilen
Haltung verdächtigen.“
Die Verstimmung des Königs Eduard über die deutsche Presse war
in diesem Fall nicht ganz unbegründet. Plumpe Insinuationen mancher
deutscher Blätter über das „perfide Albion“, das die „armen“ Franzosen
in den Marokko-Sumpf gelockt habe, um sie dann kaltblütig ihrem Schick-
sal zu überlassen, ärgerten nicht nur den englischen König, sondern auch
weite Kreise des englischen Volks. Die Absicht solcher Insinuationen lag
zu klar zutage, als daß sie nicht Verstimmung hätte hervorrufen sollen.
Der frühere Oberhofmeister der Kaiserin, Friedrich Graf Götz Seckendorff,
war nicht der einzige Hofmann, der sich für die Londoner Botschaft be-
sonders geeignet hielt. Von dem gleichen Wahn waren auch andere Höf-
linge, wie der Hofmarschall Reischach und der Zeremonienmeister Eugen