Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

TSCHIRSCHKYS MONOLOG 163 
aber, daß seine „Treue“ und seine „edelmännischen Eigenschaften‘ von 
mir nicht genügend gewürdigt würden. Dann hieß es wörtlich: „Ich will 
nicht davon sprechen, wie ich, besonders in den letzten Wochen, meine 
ganze Person für die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zwischen Seiner 
Majestät und Eurer Durchlaucht eingesetzt habe. Das war einfach meine 
Pflicht. Für mich selbst erstrebe ich gar nichts. Streber bin ich nicht; 
vielleicht weniger aus bewußter Tugend als nach Charakteranlage. Die 
beinahe sechs Jahre, die ich bei Seiner Majestät bin, habe ich, soviel 
mir bewußt, noch nie mit einem Worte von mir selber gesprochen oder 
irgend etwas ‚herausschlagen‘ wollen. Ich will niemanden verdrängen, 
habe auch gar keinen Ehrgeiz, in der Öffentlichkeit eine Rolle spielen zu 
wollen. Wenn ich die Hoffnung hege, daß mir gelegentlich einmal eine Bot- 
schaft anvertraut werden könnte, so liegt das in der Natur der Dinge. 
Wünschen würde ich es vielleicht in erster Linie meiner Frau wegen, die 
eigentlich zu etwas Besserem geboren ist, als ihre besten Jahre in Hamburg 
zu verbringen, wo, wie Euer Durchlaucht bekannt ist, das Leben des 
Charmes entbehrt, wenn man nicht selber Hamburger Kaufmann oder 
Reeder ist.‘ Am Schlusse seines Briefes bat mich Tschirschky, der sich mir 
gegenüber schon einmal, nach Absendung der Swinemünder Depesche des 
Kaisers an den Prinzregenten von Bayern, in ebenso mesquinen und 
larmoyanten Quengeleien ergangen hatte, seine Ausführungen als einen 
„Monolog“ zu betrachten, der aus der Tiefe seiner Seele aufsteige. Er ver- 
sicherte mich, daß er stets mit schuldigem Respekt alles akzeptieren würde, 
was seine Vorgesetzten über ihn beschlössen, und endigte mit den Worten: 
„Euer Durchlaucht wollen die Länge dieses Schreibens entschuldigen. Es 
wird aber hoffentlich nur kurz erscheinen im Verhältnis zu der Länge der 
Zeit, während der ich hoffen darf, meine geringen Dienste in Zukunft Eurer 
Durchlaucht in Ihrem hohen Amte ganz zur Verfügung stellen zu dürfen.“ 
Die Behauptung dieses Petenten, daß er keinen besseren Posten an- 
strebe als das von ihm „als Edelmann“ so sehr verachtete Hamburg, traf Zirkular an 
natürlich nicht zu. Der Kaiser hatte mich, sicherlich nicht aus eigenem An- 
trieb, schon mehrfach gefragt, ob Tschirschky sich nicht gut für die Lon- 
doner oder die römische Botschaft eignen würde. Dies kleine Beispiel zeigt, 
wie sehr mir die Führung der Geschäfte durch Beamte erschwert wurde, 
bei denen kleinliche persönliche Empfindlichkeiten und Ambitionen in so 
hohem Maße sachliche Gesichtspunkte und die Rücksicht auf die großen 
Interessen des Vaterlandes überwogen. Auch dieser Mißstand war zweifellos 
eine Folge des von Wilhelm II. auf die Spitze getriebenen persönlichen 
Regiments. Nicht nur drehten sich allech und solche 
wird cs in jedem Lande und unter jedem Regime geben — nach dem Kaiser- 
thron wie die Sonnenblume nach der Sonne, sondern bei nur zu vielen 
11? 
die Vertreter
	        
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