HASS DER SCHWÄGERINNEN 177
mußte der Kaiser einige Tage darauf zurücknehmen, da ihm alle Minister
klarmachten, daß er dics einfach nicht könne. Und warum das alles?
Weil die Kaiserin die gehaßte Ex-Schwägerin nicht in der Familie haben
will, denn alle anderen Gründe sind Formsachen, die sich leicht arangieren
ließen, denn gegen die Ehre ist nichts in dieser Heirat, wenn wir sie auch
nicht wünschten. Wir haben schwer gelitten und leiden noch. Dabei macht
mir Wladimirs Gesundheit Sorge. Der Kaiser weiß, daß starke Emotionen
ihm gefährlich sind! Aber das zählt alles nicht. Denke unserer! Deine
Maria.“
Ich habe bei einem früheren Anlaß erwähnt, daß die Großherzogin
Viktoria-Melitta von Hessen, eine Tochter des Herzogs Alfred von
Koburg und der einzigen Tochter des Kaisers Alexander II. von Rußland,
sich 1901 hatte scheiden lassen, um vier Jahre später ihren Vetter, den
Großfürsten Kyrill Wladimirowitsch von Rußland zu beiraten. Die Kaiserin
Alexandra Feodorowna von Rußland, die mit großer Liebe an ihrem Bruder,
dem Großherzog Ernst Ludwig, hing, haßte seitdem ihre frühere Schwägerin.
Sich selbst überlassen, würde der schwache Nikolaus II. gegen seinen Vetter
Kyrill und dessen Gattin schwerlich etwas unternommen haben. Die willens-
stärkere Kaiserin aber ruhte nicht, bis dem jungen Großfürsten in einer für
ihn und seine Eltern allerdings sehr verletzenden Weise sein Regiment,
seine Uniform, seine Apanage genommen und er gleichzeitig für immer aus
Rußland verbannt wurde. Die Sache machte in der Petersburger Gesell-
schaft böses Blut und trug erheblich dazu bei, Kaiser Nikolaus im Lichte
eines Schwächlings und Pantoffelhelden, seine in mancher Hinsicht edle,
aber unglücklich veranlagte Gemahlin als hysterische Närrin, wie sie im
vertrauten Kreise die jungen Großfürsten nannten, erscheinen zu lassen.
Die Großfürstin Wladimir und ihre Söhne nährten seitdem für den großen
Hof, die Kaiserin, den Kaiser und den kränklichen Thronfolger die Ge-
fühle, die das Haus Orleans von Philipp Egalit& bis zu Louis Philippe für
die ältere Linie Bourbon empfunden hat. Wie weit die „Wladimirowitschs‘“
an dem Sturz des Kaisers Nikolaus beteiligt waren, wird schwer festzu-
stellen sein. Nach dessen Abdankung erließen die jungen Großfürsten
öffentliche Erklärungen, in denen sie sich vom Kaiser lossagten und dessen
unglückliche Gemahlin in gehässiger und roher Weise beschimpften. Viel
Glück hatte ihnen diese Felonie nicht gebracht. Die ungeheure Welle des
Bolschewismus ging bald genug auch über sie hinweg.
Beim Rückblick auf das bewegte Jahr 1905 muß ich noch des Kaiser-
manövers in der Rheinprovinz gedenken, das in der ersten Septemberhälfte
auch mein liebes Regiment nach Koblenz führte. An der Spitze des 8. Ar-
meekorps stand damals mein alter Regimentskamerad und Freund Adolf
von Deines. Er war einer der wenigen wirklich guten Menschen, die mir
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Bülows
Freund Adolf
v. Deines