184 WER WIRD GENERALSTABSCHEF?
Kommandierenden General des Gardekorps oder um den Kommandanten
des Großen Hauptquartiers oder auch um den Chef des Großen General-
stabs, so ist es Seiner Majestät in hohem Grade unerwünscht, ja beinahe
unerträglich, in solchen Stellungen nicht ihm ganz sympatbische Leute,
womöglich gute Freunde zu haben.“ Ich erwiderte, daß dann der Kaiser bei
der Auswahl der militärischen Spitzen bedauerlicherweise sehr verschieden
von seinem Großvater wäre. Der hätte den späteren Feldmarschall Man-
teuffel bei seinem Regierungsantritt zum Chef des Militärkabinetts be-
stimmt, obwohl er sich gerade mit diesem Offizier, solange derselbe Adju-
tant des Königs Friedrich Wilhelm IV. gewesen war, wiederholt und heftig
gestritten hätte. Als Manteuffel, von der ihm bevorstehenden Beförderung
informiert, den alten König an diese Vergangenheit erinnert hätte, habe
Wilhelm I. erwidert: „Gerade weil Sie meinem Bruder so treu gedient haben,
habe ich Sie für den in Rede stehenden wichtigen Posten ausgesucht.“
Der alte Herr habe auch den berühmten General von Voigts-Rhetz, einen
der wenigen ihm persönlich ganz antipathischen Generale nicht nur rasch
avancieren lassen, sondern ihn 1866 zum Generalstabschef der ersten
preußischen Armee, später zum Generalgouverneur von Hannover und
1870 zum Führer des 10. Armeckorps designiert. Ich frug dann Hülsen,
wer außer Moltke für den Posten des Generalstabschefs nach seiner Ansicht
noch in Frage kommen könne. Hülsen nannte mir in erster Linie den Kom-
mandierenden General des 3. Armeekorps Karl Bülow, den späteren Feld-
marschall, fügte aber gleich hinzu: „Den nimmt der Kaiser nicht, er er-
klärt ihn für einen Dickkopf.“ Er nannte dann noch die beiden Generale
Bock von Polach, den Generalleutnant, der damals das 9., und den General
der Infanterie, der das 14. Armeekorps kommandierte, den General von
Falkenhausen, den General Colmar von der Goltz, den General von Hin-
denburg, den General von Eichhorn und den General von Woyrsch, be-
merkte aber bei jedem Namen, daß der Betreffende aus diesem oder jenem
Grunde persönlich Seiner Majestät nicht konveniere. Den einen nenne er
einen Zimmerstrategen, den andern einen Klugredner, einen dritten einen
Phantasten. Es war dies, nebenbei gesagt, das erstemal in meinem Leben,
daß ich den großen Namen des Siegers von Tannenberg, des späteren Gene-
ralfeldmarschalls von Hindenburg, hörte. Schließlich sagte mir Hülsen, er
habe nicht das mindeste dagegen, sondern würde sich im Gegenteil sehr
freuen, wenn ich versuchte, Seine Majestät von der Ernennung von Moltke
abzubringen. Ich schrieb noch an demselben Tage einen Brief an den Kaiser,
in dem ich ihm etwa sagte: er wisse aus langem Zusammenarbeiten mit
mir, daß mir eine Einmischung in militärische Fragen und Personalien
fernläge. Der General von Moltke habe mir aber in so bestimmter Weise,,
mit solcher Redlichkeit und mit so zutreffenden Gründen die Überzeugung