MOLTKE BITTET, ES NICHT ZU WERDEN 185
ausgesprochen, daß er sich für den ihm zugedachten, nicht nur militärisch,
sondern auch politisch für Wohl und Wehe des Landes ungeheuer wichtigen
Posten nicht eigne, daß ich den Kaiser dringend bitte, sich die Sache noch
einmal zu überlegen und von der Wahl abzustehen. Der Kaiser antwortete
mir zuerst in Kürze brieflich, später eingehend mündlich in freundlichster
Weise, er nähme mir meine Vorstellung gar nicht übel, da er darin nur
einen neuen Beweis meiner Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit sähe. Er
wisse auch wohl, daß Moltke nicht wolle. Diese seine Weigerung mache
seiner Bescheidenheit Ehre, sie könne aber ihn, den Kaiser, nicht in seinem
Entschluß irremachen, der wohlüberlegt und unwiderruflich wäre und dem
der göttliche Segen nicht fehlen würde. Der Kaiser erinnerte mich daran,
daß auch ich mich nur nach reiflicher Überlegung und nach Überwindung
mancher Bedenken bereit erklärt hätte, den Posten des Staatssekretärs des
Äußern zu übernehmen. Schließlich wäre es ganz gut mit mir gegangen.
Er sei überzeugt, daß es auch mit Moltke gut gehen würde. Es ist bekannt,
daß in Preußen alle militärischen Ernennungen vom König in seiner Eigen-
schaft als oberster Kriegsherr, ohne Gegenzeichnung des Kriegs-
ministers und lediglich auf Vorschlag des Militärkabinetts vollzogen
wurden. Unter einem weisen, sachlichen und erfahrenen Monarchen wie
Wilhelm I. hatte die Durchführung dieses Grundsatzes nichts Bedenkliches,
sie hat sogar dazu beigetragen, im preußischen Offizierkorps jenen Geist
großzuziehen, dem wir drei siegreiche Kriege verdanken. Unter Wilhelm II.,
der in vielem das gerade Gegenteil seines Herrn Großvaters war, zeigten
sich die Schattenseiten dieses Systems.
Im November 1905 trat der bisherige Kolonialdirektor Stübel zurück.
Als Nachfolger schlug mir der Kaiser den Erbprinzen Ernst zu Hohenlohe-
Langenburg vor, mit dem Hinzufügen, daß es ihm eine besondere Freude
sein würde, wenn ich mich mit dieser seiner Wahl einverstanden erklärte.
Ich bin nie dahintergekommen, wer den Kaiser auf den Einfall gebracht
hatte, mir Erni Hohenlohe als Kolonialdirektor zu proponieren. Der Gute,
dessen ganze Force in seinen hohen Verwandtschaften bestand, hatte von
1900 bis 1905 nach dem Tode des Herzogs Alfred von Koburg mehrere
Jahre die Herzogtümer Koburgund Gotha als Regent beherrscht. Er machte
sich nicht klar, daß es damals leichter war, einen thüringischen Kleinstaat
zu „regieren“, als einem ziemlich schwierigen Reichsressort. vorzustehen,
das Arbeitskraft, Verwaltungspraxis und die Fähigkeit voraussetzte,
gelegentlich im Parlament Anfragen zu beantworten und Angriffe abzu-
wehren. Erni Hohenlohe war nicht nur mit einer englischen Prinzessin,
der Tochter des verstorbenen Prinzen Alfred von Großbritannien und
Irland, Herzogs von Edinburgh, des zweiten Sohnes der Königin Victoria,
vermählt, sondern er war auch der Sohn einer badischen Prinzeß und
Erbprinz
zu Hohen-
lohe-Langen-
urg
Kolonial-
direktor