Dr. Beseler
preußischer
Justizninister
186 ERNI
gleichzeitig ein leiblicher Vetter der regierenden Kaiserin, deren Mutter
bekanntlich eine Hohenlohe-Langenburg gewesen war. Dies verhinderte
die immer pflichttreue und mir stets freundlich gesinnte Kaiserin nicht,
mich in ihrer vorsichtigen Weise mit leiser Andeutung zu warnen. Sie hegte
den Argwohn, daß Ermi den Posten als Leiter der Kolonialabteilung als
Sprungbrett betrachten wolle, um sich auf den Reichskanzlersessel zu
schwingen. „Und dieser Aufgabe“, fügte sie lächelnd hinzu, „ist der arme,
kleine Erni ja gar nicht gewachsen.“ Für ganz unbegründet halte ich auch
heute diesen Verdacht nicht. Ich halte es sogar für nicht ausgeschlossen,
daß Holstein bei dieser Intrige die Hand im Spiele hatte, denn er wußte,
daß der Erbprinz von Langenburg bei seiner politischen Hilflosigkeit
Wachs in den Händen des routinierten alten Geheimrats sein würde, mit
dem ihn seit Jahren persönlich freundliche Beziehungen verbanden. Wie
dem auch sein möge, ich ließ mich in diesem Fall so wenig wie bei manchen
anderen Gelegenheiten durch solche Umtriebe beeindrucken und akzep-
tierte den Erbprinzen als Kolonialdirektor, dem ich — er war, wiesein Vater,
der Statthalter von Elsaß-Lothringen, ein sehr eifriger Protestant — nur
die Bedingung stellte, daß er in seinem Amt, das ibn mit den katholischen
Missionen in enge Fühlung brachte, konfessionell unparteiisch und vor-
urteilslos handeln und auftreten müsse.
Einige Wochen später hatte ich Gelegenheit, diesen von mir unentwegt
festgehaltenen Grundsatz der Toleranz und vollen Parität auch meinerseits
zu betätigen. Der Justizminister Schönstedt trat aus Gesundheitsrück-
sichten zurück. Sein Nachfolger wurde der bisherige Präsident des Ober-
landesgerichts in Breslau, Dr. Beseler, ein tüchtiger Jurist. Er entstammte
der bekannten holsteinischen Gelehrtenfamilie, deren berühmtester Sproß,
Wilhelm Hartwig Beseler, 1844 Präsident der Schleswigschen Stände-
versammlung, 1848 Präsident der schleswig-holsteinischen provisorischen
Regierung, Mitglied der Statthalterschaft und der Deutschen National-
versammlung war. Nach Breslau kam der bisherige Oberlandesgerichts-
präsident in Kiel Dr. Vierhaus. Für dessen Nachfolgeschaft schlug ich den
damaligen Reichsgerichtsrat und Reichstagsabgeordneten Peter Spahn
dem königlichen Staatsministerium vor, stieß aber damit zunächst auf
starken Widerstand. Die meisten meiner Kollegen trugen Bedenken, einem
Katholiken und Zentrumsmann das in Rede stehende hohe Amt in einer
ganz protestantischen Provinz zu übertragen. Ich hielt gegenüber diesem
Widerspruch an dem Grundsatz fest, daß, wenn das Staatsministerium
keinen Anstand nähme, Protestanten nach der Rheinprovinz, nach West-
falen und Oberschlesien zu schicken, ich nicht einsehe, warum nicht ein
Katholik auch in einer überwiegend oder ganz protestantischen Provinz
eine erfolgreiche Wirksamkeit ausüben könne. Erwähnen möchte ich endlich