DER UNMUT DES KÖNIGLICHEN ONKELS 187
noch, daß in diesem Jahr 1905 der Abgeordnete Matthias Erzberger
zum erstenmal in das Licht der Öffentlichkeit trat. Die „Kölnische Volks-
zeitung‘‘ veröffentlichte Angriffe auf die Kolonialverwaltung, die un-
richtige Mitteilungen über die Kamerun-Eisenbahn gemacht hätte und für
private literarische Veröffentlichungen Reichsgelder zur Verfügung stelle.
Die Kolonialverwaltung wies diese Behauptung unter Anführung von
überzeugendem Aktenmaterial scharf als „leeres Gerede‘ zurück. Die
„Kölnische Volkszeitung‘ erkannte an, daß die Behauptung ihres Gewährs-
mannes unhaltbar wäre. Es stellte sich bald heraus, daß der Urheber dieser
verleumderischen Insinuationen der Abgeordnete Matthias Erzberger war.
Mit dieser Stänkerei begann die politische Laufbahn des unseligen Mannes,
der, nachdem er viel Schaden angerichtet hatte, ein böses Ende finden
sollte.
Im Spätherbst 1905 erbielt ich mehrere Briefe von Metternich aus
London, die sich mit den persönlich leider so wenig freundlichen Beziehun-
gen zwischen unserem Kaiser und seinem Oheim, dem König Eduard VII.,
beschäftigten.
Am 2. Oktober 1905 hatte mir Metternich während seines Herbst-
urlaubs geschrieben: „Lascelles hat, wie Sie wissen, an Seine Majestät
König Eduard über eine Unterredung Bericht erstattet, die er kürz-
lich mit Seiner Majestät dem Kaiser in Homburg über die persönlichen
Beziehungen zwischen den Monarchen gehabt hat. Der Botschafter hat vor
einigen Tagen die Antwort des Königs durch Lord Knollys erhalten. Als
ich jetzt in Berlin bei Lascelles war, teilte er mir aus der Antwort einzelnes
vertraulich mit. Der König beginnt mit der Behauptung, er habe keinen
Streit mit Seiner Majestät dem Kaiser und wünsche auch keinen zu haben.
Eine Zusammenkunft auf der Reise nach Marienbad wäre nicht möglich
gewesen, weil jeder Tag seines Programms für die Badekur festgesetzt
gewesen sei, und jeden einzelnen Beschwerdepunkt Seiner Majestät des
Kaisers hält der König für unbegründet. Er stellt dafür die Behauptung
auf, daß Seine Majestät der Kaiser überall gegen ibn, den König, seinen
Einfluß geltend zu machen suche. Aus dieser kurzen Übersicht ist ersicht-
lich, daß die Zeit für eine Aussprache oder Aussöhnung zwischen den beiden
hohen Herren noch nicht reif ist. Je ruhiger sich Seine Majestät der Kaiser
dem Unmute seines Königlichen Onkels gegenüber verhält, um so mehr wird
dieser in das Unrecht versetzt, und um so eher wird wieder ein richtiges
Verhältnis zwischen den beiden Herrschern eintreten. Ich weiß bestimmt,
daß schon jetzt den leitenden englischen Staatsmännern aus politischen
Rücksichten das persönliche Zerwürfnis zwischen Kaiser und König höchst
unerwünscht ist. Sobald sie deutlicher empfinden, daß die Schuld am
König liegt und daß aus den persönlichen Beziehungen der beiden Herrscher
Briefe des
Botschafters
Metternich