Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

NORDERNEY UND BERLIN 217 
bei meinem Regiment, den Königshusaren, und hat in diesem Regiment 
auch den Weltkrieg mitgemacht. Er ist ein Musterbeispiel dafür, was in 
unserm Volk an Tüchtigkeit und Intelligenz, an Fleiß und Ernst steckt. 
Er hat sich Italienisch vollkommen angeeignet und weiß in technischen 
Dingen, in Elektrizität und Mechanik nicht weniger gut Bescheid als früher 
mit seinen von ihm mit Hingabe betreuten Gäulen. Er war ein forscher 
Reiter, hatte im Rennstall Suermondt in Aachen eine gute Schule gehabt 
und schon mit zehn Jahren jedes Hindernis auf ungesatteltem Gaul und 
ohne Bügel zu nehmen gelernt. Hätte das Schicksal seine Eltern mit mehr 
Glücksgütern gesegnet und hätte er studieren können, so wäre er ein ausge- 
zeichneter Beamter, ein scharfer Staatsanwalt, ein energischer Landrat ge- 
worden. Aus vielen Gesprächen mit diesem trefflichen Diener habe ich die 
Erfahrung gewonnen, daß ein Mann aus dem Volk mit offenem Kopf die 
Dinge dieser Welt oft rascher und klarer erfaßt als mancher Intellektuelle 
und Politiker. 
Was ich in Norderney aus Berlin hörte, war nicht immer erfreulich. 
Zwar wurde die Reichsfinanzreform mit ihren Steuervorlagen im 
Reichstag angenommen, was dem Kaiser Gelegenbeit bot, ein gnädiges 
Handschreiben an mich zu richten, in dem es hieß: „Ich bin mir wohl be- 
wußt, welcher hervorragende Anteil an dem Entstehen wie an dem Gelingen 
dieses bedeutsamen Reformwerkes dem staatsmännischen Geschick und der 
aufopfernden Hingebung gebührt, mit denen Sie die mühevollen Arbeiten 
geleitet und gefördert haben. Von ganzem Herzen beglückwünsche Ich Sie 
zu diesem Erfolge, durch welchen: Sie sich von neuem den Dank Ihres 
Kaisers und Königs wie des Vaterlandes erworben haben. Zugleich benutze 
Ich die Gelegenheit, Ihnen, mein lieber Fürst, meine innige Freude darüber 
auszusprechen, daß Ihre durch das Übermaß der Arbeit angegriffene Ge- 
sundheit durch Gottes Gnade vollständig wiederhergestellt ist und Ich mich 
der zuversichtlichen Hoffnung hingeben kann, daß Ihre ausgezeichneten 
Dienste Mir noch recht lange erhalten bleiben zum Segen für das deutsche 
Volk und das Vaterland. Ich verbleibe mit unveränderlichem Wohlwollen 
und Vertrauen Ihr wohlgeneigter und dankbarer Kaiser und König.“ 
Auch die für die Armee bedeutungsvollen Militär-Pensions-Gesetze 
waren vom Reichstag endgültig angenommen worden, um deren Ein- 
bringung und für deren Annahme ich mich sehr bemüht hatte. Seiner 
Meldung, daß die Pensionsgesetze definitiv durchgegangen wären, fügte 
der Kriegsminister von Einem hinzu: „Ohne die Maßnahmen Eurer Durch- 
laucht und ohne Ihre Mitwirkung wäre ein solches Resultat niemals möglich 
gewesen. Eurer Durchlaucht füble ich mich daher gedrängt meinen 
wärmsten Dank ehrfurchtsvoll zum Ausdruck zu bringen. In aufrichtiger 
Hochachtung und Verehrung und in der Hoffnung, daß Eure Durchlaucht 
Annahme der 
Reichs- 
finanzreform
	        
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