Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

252 DER FALL BISMARCK 
entschuldigte, daß er geglaubt hätte, durch das, was er über den Bruch 
zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck veröffentlicht habe, 
Seiner Majestät zu nützen. Ich bemühte mich vor allem, die Einleitung 
einer Disziplinaruntersuchung gegen den Prinzen zu verhüten, nicht nur 
aus Pietät gegen das Andenken seines Vaters, sondern auch mit Rücksicht 
auf ihn selbst. 
Der Kaiser war schwer zu beruhigen. Wenige Dinge waren ihm anti- 
pathischer als Publikationen über Souveräne und ganz besonders sulche 
über ihn selbst, die in einer anderen Tonart als in einer sehr devoten, wenn 
nicht byzantinischen und verhimmelnden, im Stile Schiemann oder Har- 
nack, gehalten waren. Darüber habe ich mit Seiner Majestät manches inter- 
essante Gespräch geführt. Am liebsten wäre dem Kaiser ein Gesetz gewesen, 
durch das Ministern, Generälen und Hofbeamten verboten wurde, Denk- 
würdigkeiten zu hinterlassen, und das Verlegern untersagte, solche Er- 
innerungen zu publizieren. In diesem Punkte begegnete sich Wilhelm II. 
mit Ludwig XIV., den nichts mehr ergrimmte als der Gedanke, daß er, 
der Sonnenkönig, nach seinem Tode anders gesehen werden könnte als im 
Glanz seiner Macht und Unfehlbarkeit. Ich hatte mich über diese Materie 
schon acht Jahre früher, anläßlich des Erscheinens der „Gedanken und 
Erinnerungen“ des Fürsten Bismarck, mit Seiner Majestät gestritten. Ich 
erinnerte, 1898 wie 1906, daran, wie aller Argwohn und alle Strenge von 
Ludwig XIV. nicht verhindert hätten, daß lange nach seinem Tode die 
Memoiren des Duc de Saint-Simon erschienen, in denen dieser große 
Schriftsteller das Bild des eitlen und allzu selbstsüchtigen Monarchen mit 
unvergänglichen Strichen für die Nachwelt fixierte. Ich zitierte auch das 
schöne Wort von Chateaubriand, der in seiner pathetischen Weise ausruft: 
„Während die Cäsaren der römischen Dekadenz ihr Unwesen treiben, 
wächst schon im verborgenen der junge Cornelius Tacitus heran, der ihr 
wahres Bild der Nachwelt überliefern wird.“ Das einzige Mittel, sagte ich 
Seiner Majestät, durch das ein Souverän ein ihm günstiges Urteil der 
strengsten der neun Musen, der Clio, erwirken könne, sei, vernünftig zu 
regieren. Es gelang mir schließlich, die Disziplinaruntersuchung gegen den 
Prinzen Alexander zu verhindern. Er verlor aber seinen Posten. Er gestand 
mir bei seinem Besuch in Homburg, daß er die Denkwürdigkeiten seines 
Vaters vor ihrer Publikation überhaupt nicht gelesen hatte. Der Statthalter 
von Elsaß-Lothringen, Fürst Hermann von Hohenlohe-Langenburg, 
dem der ganze Vorfall schr peinlich gewesen war, schon im Hinblick auf das 
Verhältnis seines erlauchten Hauses zu Seiner Majestät dem Kaiser, schrieb 
mir, er sei mir „zu hohem Dank“ verpflichtet, daß ich ihn der traurigen 
Aufgabe überhoben hätte, eine förmliche Disziplinaruntersuchung gegen 
seinen Neffen eröffnen zu müssen, dessen Verhalten er als eine „unverzeih-
	        
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