Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

UNANNEHMBAR 271 
daß zwei Führer der äußersten preußischen Rechten, Herr von Kröcher und 
Herr von Arnim-Züsedom, ihm gegenüber, der den „Nochnichtinformier- 
ten und Unbefangenen“ gespielt habe, sich für eine eventuelle Reichstags- 
auflösung erklärt hätten, und zwar „auf der Grundlage einer naturwüchsi- 
gen, ich möchte sagen einer naiven Überzeugung“. Durch diese bei mär- 
kischen Junkern herrschenden Anschauungen sei er in der Ansicht bestärkt 
worden, daß die von mir gefaßten Beschlüsse nicht nur vom Standpunkt 
der Staatsautorität notwendig wären, sondern auch „einem volkstümlichen 
Empfinden“ entsprächen, das die bereits gebrachten Opfer an Leben und 
Gut höher bewerte als parlamentarische Herrschaftsgelüste. Der Brief 
schloß: „Eure Durchlaucht wollen verzeihen, daß ich gewissermaßen noch 
post festum diesem Gedanken Ausdruck gebe. Ich werde dabei lediglich von 
dem Bestreben getrieben, Tatsachen nochmals zu konstatieren, die Eure 
Durchlaucht bereits in Rechnung gestellt haben. Eurer Durchlaucht gehor- 
samster Diener von Bethmann Hollweg.‘““ Seine Dankbarkeit für mein ihm 
schon mehrfach bewiesenes Wohlwollen war damals unbegrenzt. Als ich 
ihm kurz vor der Reichstagsauflösung zu einem Familienfest gratulierte, 
antwortete er mir: „Eurer Durchlaucht sage ich aufrichtigsten Dank für 
die so gütigen Glückwünsche, unter der Versicherung, daß Eurer Durch- 
laucht nachbsichtiges Wohlwollen eine unentbehrliche Stütze für meine 
Arbeit ist.“ 
Als am 13. Dezember die zweite Beratung des Nachtragsetats für 
Deutsch-Südwestafrika begann, eröffnete ich die Debatte mit einer 
kurzen, sehr ruhigen Ansprache, in der ich die Gründe darlegte, aus denen 
der Vorschlag, uns schon jetzt für das Etatsjahr 1907 auf eine unbestimmte, 
gegenüber der jetzigen wesentlich verminderte Truppenanzall festzulegen, 
für die verbündeten Regierungen unannehmbar sei. Ich könne nicht an- 
nehmen, daß der Reichstag einen solchen, in finanzieller und militärischer, 
in politischer wie nationaler Hinsicht gleich bedauerlichen und bedenklichen 
Entschluß fassen würde. Sollte ich mich hierin täuschen, so würde ich als 
verantwortlicher Leiter der Reichsgeschäfte nicht in der Lage sein, vor dem 
deutschen Volk und der Geschichte eine solche Kapitulation zu unter- 
schreiben. Während ich sprach, las ich in den Mienen der Abgeordneten 
und namentlich der Zentrumsvertreter, daß sie an den Ernst dieser meiner 
Erklärung nicht recht glaubten. Nach einigem Gezänk zwischen Roeren und 
Dernburg, dann zwischen dem gräßlichen Ledebour, einem der ganz auti- 
pathischen Sozialisten, und dem konservativen Abgeordneten von Richt- 
hofen ergriff ich nochmals und zum letztenmal das Wort. Ich sprach aus 
dem Stegreif und nicht ohne Erregung. Ich frug, wohin es führen würde, 
wenn sich bei uns die Gewohnbeit einbürgere, militärische Maßnahmen im 
Kriegszustande, Leben und Gesundheit unserer Truppen, unsere Waflenehre 
Die Auf- 
lösungsorder
	        
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