Iswolskis
Karriere
294 DER SNOB ISWOLSKI
Alexander Petrowitsch Iswolski war ein alter Freund von mir. Wir
hatten uns während meiner vierjährigen Tätigkeit als Botschaftsrat in
St. Petersburg im Klub und in der Gesellschaft viel gesehen. Ich hatte
auch Gelegenheit gehabt, mich ihm durch meine guten Beziehungen zu dem
Minister Giers, zu dessen Adjoint Vlangaly wie zu dem einflußreichen Chef
des asiatischen Departements, Zinowjew, nützlich zu machen. In dem da-
maligen Rußland spielten, wie in allen absolutistisch regierten Ländern,
persönliche Beziehungen und Einflüsse, die Klubs und Salons, Empfeh-
lungen und Konnexionen eine große Rolle. Iswolski war vor allem ein Snob.
Aus kleinen Verhältnissen hervorgegangen, wünschte er den Damen zu
gefallen. Damals lag er einer schönen Witwe, der Generalin A., zu Füßen.
Sie schlug aber seine wiederholten Heiratsanträge ab. Ale Iswolski es
später zum Botschafter und Minister des Äußern brachte, wurde MudameA.
von einer Freundin gefragt, ob sie nicht bedaure, eine so glänzende Partie
refüsiert zu haben, Sie erwiderte: „Je l’ai regrett& tous les jours, mais je
m’en suis felicitee toutes les nuits.‘“ Iswolski war sehr häßlich, er sah aus
wie ein Kalmücke, aber er war intelligent und ehrgeizig. Er hatte in seiner
Karriere les hauts und les bas gekannt. Erst nur an kleinen Balkanposten
verwandt, wo er sich nach der alten Tradition der russischen Baulkan-
diplomatie mit Eifer an Komplotten und Verschwörungen beteiligte, wurde
er Gesandter beim Päpstlichen Stuhl, während ich Botschafter beim
Quirinal war. Er verkehrte viel in meinem Haus. Er hatte inzwischen eine
liebenswürdige, hübsche und elegante Frau aus distinguierter Familie
geheiratet, eine Gräfin Toll, Tochter des langjährigen russischen Gesandten
in Weimar, die nach Abstammung und Erziehung halb oder vielmehr drei-
viertel deutsch war, übrigens auch evangelisch. Alexander Petrowitsch
liebte und bewunderte sie, sans comparasion, etwa wie Napoleon als junger
republikanischer General zu der Vicomtesse Josephine Beauharnais
emporsah als zu einem Wesen aus einer höheren Gesellschaftssphäre. Er
begleitete sie jeden Sonntag zum Gottesdienst in die evangelische Kapelle
des Palazzo Cuflarelli. Von Rom kam Iswolski zu seinem Schmerz nach
Japan. Er fürchtete bei der heiklen Natur der russisch-japanischen Bezie-
hungen, da die russischen Generäle und viele einflußreiche Spekulanten
Japan brutalisierten, die russischen Diplomaten aber keinen Krieg mit
Japan wollten, sich dort den Hals zu brechen. Ich tröstete ihn mit der
Versicherung, daß seine Gewandtheit ihm schon durchhelfen würde. Mein
Zuspruch tat ihm wohl, und er hat mich oft dankbar daran erinnert. Er
kam auch mit heiler Haut aus Japan zurück, um Gesandter in Kopenhagen
zu werden, für Rußland eine Familiengesandtschaft und ein Sprungbrett
für künftige Botschafter. Als Iswolski hörte, daß in St. Petersburg ein
großes diplomatisches Revirement vorbereitet würde, schickte er seinen