UNFREUNDLICHE ENTREVUE IN VENEDIG 319
Auseinandersetzung, die ich im Frühsommer 1907 über unser Verhältnis
zu Frankreich mit ihm gehabt hatte, und an die ungnädigen Marginalien
Seiner Majestät zu meinem Brief vom 25. August 1907. Ich gab nochmals
der Überzeugung Ausdruck, daß, wie der Franzose nun einmal wäre, das
Rezept von Cambon für uns das richtige sei, über das wir uns vor einem
Jahr nach der Kieler Woche gestritten hätten: nichts zu überstürzen.
Über Italien faßte ich mich kurz. Die letzte Begegnung unseres Kaisers
mit dem König Viktor Emanuel IIlI., die am 25. März 1908 in Venedig statt-
gefunden hatte, war nicht gut verlaufen. Der König hatte, als er mit dem
Kaiser in die Gondel eingestiegen war, das Gespräch auf den Balkan ge-
lenkt, was bei der damaligen Gärung in Mazedonien ziemlich natürlich,
jedenfalls kein Verbrechen war. Der Kaiser hatte jedoch jede Diskussion
über dieses Thema schroff abgelehnt. Als der König, der ein lebhaftes
Interesse für Geschichte hatte, im weiteren Verlauf der Konversation
Napoleon I. als großes Genie bezeichnete, unter starker Betonung seiner
italienischen Abkunft, hatte dies den Kaiser geärgert. Als schließlich der
König, um seinen hohen Gast in bessere Laune zu bringen, die Rede auf die
prächtige deutsche Flotte brachte, hatte der Kaiser gemeint: Während
seiner langen Regierung habe er die Erfahrung machen müssen, daß seine
Kollegen, die anderen Souveräne, seine Reden und Worte zu wenig be-
achteten. Eine möglichst starke deutsche Flotte werde in Zukunft dazu
beitragen, daß man den Worten des Deutschen Kaisers mehr Gehör schenke.
Ich hatte einen achttägigen Besuch, den ich bald nachher, im April 1908,
in Rom abstattete, nicht ohne Erfolg dazu benutzt, um in längerer Unter-
redung mit dem Minister des Äußern, Herrm Tittoni, und später in Vene-
dig mit dem Ministerpräsidenten Giolitti den ungünstigen Eindruck der
Entrevue zwischen den beiden Souveränen nach Möglichkeit zu verwischen.
Der Hauptzweck meines Immediatvortrags vom Juli 1908 war, den
Kaiser zu einer vorsichtigeren Haltung England gegenüber zu bewegen.
Alles, was ich aus London hörte, stimmte darin überein, daß weder König
Eduard noch die Minister den Krieg mit uns wollten. Der König, hatte mir
noch im Juli 1908 ein wohlinformierter englischer Publizist erzählt, habe, wie
er bestimmt wisse, kürzlich geäußert: „I shall never allow a rupture witb
Germany.‘ Ich legte dem Kaiser dar, daß, wenn wir durch eine Verlang-
sarnung unseres Flottenbautempos erreichen könnten, daß England uns zu-
sage, Frankreich nicht beizustehen, wenn dieses uns angreife, wir ein gutes
Geschäft machen würden. Der Kaiser widersprach meinen Ausführungen
auf das allerheftigste: Er werde sich in der Flottenfrage von niemandem
hereinreden lassen. Ich konnte mich gegenüber Seiner Majestät wiein meinen
Konferenzen mit Tirpitz darauf berufen, daß ich zur Popularisierung des
Flottengedankens im Lande wie für die Bewilligung der für den Flottenbau
Verlang-
samung des
Flottenbaues