Der Kaiser
und
Frankreich
18 ECKARDSTEINS „TAMOSER“ RAT
Kaisers Friedrich II. und seines gewaltigen Vaters, Heinrichs VI., im Dom
von Palermo riefen ihm die Hohenstaufen ins Gedächtnis, die in Sizilien
selbst ziemlich vergessen und deren Bilder jedenfalls für die Einheimischen
bereits stark verblaßt sind. Es erregte deshalb einiges Erstaunen, als der
Kaiser bei seiner Rückkehr nach Deutschland in Karlsruhe am 28. April
1904 auf eine Ansprache des Bürgermeisters erwiderte, er komme aus einem
Lande, wo das Andenken an die deutschen Kaiser treuer gepflegt und leben-
diger aufrechterhalten würde als irgendwo sonst. Ich tönte diese Rede nach
Möglichkeit ab, bevor sie veröffentlicht wurde, sie erregte aber doch Kopf-
schütteln. Es war nun einmal der Charme, aber auch die Klippe Wilhelms II.,
sich den wechselndsten Eindrücken unterschiedslos mit dem gleichen
Impetus hinzugeben.
Als ich einige Stunden vor dem Kaiser in Karlsruhe eintraf, um ihn dort
zu begrüßen, [and ich ein chiffriertes Telegramm des Auswärtigen Amts vor,
in dem mir gemeldet wurde, daß sich der Legationsrat von Eckardstein
nach Karlsruhe begeben habe. Der Staatssekretär von Richthofen, der dies
Telegramm an mich gesandt hatte, fügte hinzu, er höre von einem großen
und durchaus zuverlässigen Berliner Bankier, daß Eckardstein stark
a la baisse engagiert sci. Ich möge ein Auge auf seinen Verkehr mit dem
Kaiser haben. Eckardstein hatte nicht lange vorher den Dienst verlassen,
in dem Augenblick, wo ich, trotzdem mir allmählich manches an ihm miß-
fiel, für ihn an einen kleineren Gesandtenposten dachte. Er motivierte
seinen Rücktritt damit, daß seine Frau nur in England leben könne und
daß ihn selbst beträchtliche Vermögensinteressen an die Heimat seiner
Gattin knüpften. In späteren Jahren sollte essich herausstellen, daß Eckard-
stein schon damals zu tief in große und gewagte Börsenspekulationen ver-
wickelt war, um fern von der Londoner City ein Amt übernehmen zu können.
In Karlsrube merkte ich bald, was ihn dorthin geführt hatte. Der Kaiser
erzählte mir in seiner oflenherzigen Weise, daß Eckardstein ihm einen
„famosen“ Rat gegeben habe. Er möge die erste sich darbietende Gelegen-
heit, z. B. die unmittelbar bevorstehende Einweihung eines Kriegerdenkmals
in Metz oder Saarbrücken, benutzen, um einen festen Kaltwasserstrabl nach
Paris zu richten. Das würde des Kaisers Prestige erhöhen, die Franzosen
aber dämpfen. Der Ratschlag war insofern gefährlich, als der Kaiser sich
gerade damals in gereizter Stimmung gegen die Franzosen befand, weil
Loubet es nicht zu der von Seiner Majestät brennend gewünschten Entrevue
hatte kommen lassen. Es gelang mir, den Kaiser von Entgleisungen in der
von Eckardstein empfohlenen Richtung abzuhalten, und bald nachher
führte ein anderer Zwischenfall bei Seiner Majestät einen neuen und vollen
Umschwung zugunsten der „belle France“ herbei. Bei einem in Homburg
vor der Höhe abgehalt Aut bil ‚dem der Kaiser beiwohnte,