DIE RUHMESHALLE 349
mit deren Verschwinden das Deutsche Reich um ein wesentliches Gut ver-
armen würde, jene Eigenart, die sich erst recht zu entfalten vermag im
Schirm und Frieden des Deutschen Reichs, wie es der Dichter besingt:
Eine nach außen, schwertgewaltig
Um ein hoch Panier geschart,
Doch im Innern vielgestaltig,
Jeder Stamm nach seiner Art.
Als ich meine Rede beendet hatte, traten wir aus der majestätischen
Ruhmeshalle heraus, wo Heinrich der Finkler zu Kaiser Wilhelm I.,
Friedrich Barbarossa zu Friedrich dem Einzigen von Preußen, Ulrich von
Hutten zum Reichsfreiherrn vom Stein, Georg von Frundsberg zu Gerhard
Lebrecht von Blücher hinüberschaut, wo die weißen Marmorbüsten von
Johann Sebastian Bach und Richard Wagner, von Dr. Martin Luther und
Immanuel Kant, von Goethe und Albrecht Dürer nebeneinander stehen,
wo alles an die Mannigfaltigkeit und Großartigkeit unserer Geschichte er-
innert und den Deutschen, der sich ihrer inneren Einheit bewußt ist, zu
Vaterlandsliebe und damit zur Einigkeit mahnt. In der schönen Oktober-
sonne lag die herrliche Landschaft, die fruchtbare Ebene vor mir: der
größte deutsche Strom, der das Schiff der Nibelungen trug und noch immer
deutsche Güter und deutsche Menschen vom Schwarzwald bis zur Dobru-
dscha und dem Pontus Euxinus führt, die alte Stadt Regensburg, der Barbara
Blomberg, die schöne Mutter von Don Juan d’Austria, entsproß, die Stadt,
die Blüte und Reichtum des von starken Händen geleiteten alten Reichs,
aber später auch jämmerlichen Verfall und so viel Kleinlichkeit und Elend
sah, das fruchtbare Land bis zu den fernen, wie dämmernde Schatten auf-
steigenden bayrischen Alpen. Hier wurde mir von dem Ministerpräsidenten
Podewils sein Kabinettschef, der Legationsrat und königlich bayrische
Kämmerer Franz Xaver von Stockhammern vorgestellt als der ausge-
zeichnete Beamte, der ihm nicht nur in seinem schwierigen Amte und in oft
angefochtener Stellung die beste Stütze sei, sondern der auch das Haupt-
verdienst an dem Gelingen des schönen Walhallafestes habe. Ich wußte
nicht, daß ich an diesem Tage einen Mann kennenlernte, der mir, als ich
ihm sechs Jahre später in Rom wiederbegegnete, ein Freund für das Leben
werden sollte. Herr von Stockhammern ist der Sohn eines tapferen, im
Deutsch-Französischen Krieg von 1870 wohlbewährten Generals, dessen
Familie zweihundert Jahre früher aus dem Erzstift Salzburg nach Bayern
übergesiedelt war. Seine durch Verstandesschärfe und Willenskraft aus-
gezeichnete Mutter entstammte dem alten Ulmer Geschlecht der Kraft
von Delmensingen, dessen Wilhelm Hauff in seinem „Lichtenstein“ Er-
wähnung tut, aus dem der Baumeister des Ulmer Doms hervorging und das