Die beteiligten
Beamten
358 KABARETT IN DONAUESCHINGEN
unbedingt darauf bestehen müssen, daß der Kaiser während der bevorstehen-
den Krisis in Berlin blieb. Das würde mir die weitere Behandlung Seiner
Majestät sehr erleichtert haben. Wenn der Kaiser den damaligen Stand der
öffentlichen Meinung in der Reichshauptstadt, die Stimmung im Parlament,
die große Erregung auch und gerade in den intellektuellen Kreisen aus der
Nähe beobachtet hätte, so würde er mein Verhalten und Vorgehen ganz
anders und weit richtiger beurteilt haben als aus dem sicheren Port in
Donaueschingen, umgeben von zum Teil frivolen und unwissenden Ele-
menten. Nun wünschte aber der Kaiser dringend, noch einmal mit dem Erz-
herzog Franz Ferdinand von Österreich zusammenzukommen, und hielt
eine solche Begegnung im Hinblick auf die bosnische Krisis für durchaus
notwendig. Er sehnte sich freilich auch nach Donaueschingen, wo ihm
Fuchsjagden, Kabarettvorträge, alle möglichen Genüsse in Aussicht ge-
stellt waren. Ich gab seinem Wunsch nach, auch in der Erwägung, daß ich
in einer parlamentarisch und politisch so bewegten Zeit, die so viele per-
sönliche Rücksprachen und Direktiven von mir erforderte, die Schwierig-
keiten besser überwinden würde, wenn ich nicht täglich von Berlin nach
dem Neuen Palais in Potsdam zu fahren brauchte, wo, wenn er nicht auf
Reisen war, der Hof bis nach Weihnachten weilte. Bevor der Kaiser Berlin
verlicß, ermahnte ich ihn mündlich und schriftlich, weder in Wien noch in
Konopischt noch gegenüber den in Donaueschingen weilenden Öster-
reichern, unter denen sich der spätere Minister des Äußern Graf Ottokar
Czernin befand, hinsichtlich der Dardanellenfrage irgendeine Verpflichtung
einzugehen oder Zusagen zu machen. Wir müßten uns in dieser Beziehung
ganz freie Hand wahren. Gegen die russischen Wünsche in dieser Richtung
würde ich keinesfalls aktiv auftreten.
Bevor ich zur Reichstagsdebatte über den „Daily-Telegraph“-Artikel
komme, möchte ich in Kürze das weitere Schicksal der schuldigen Beamten
erwähnen. Klehmet überreichte mir nach unserer etwas stürmischen Unter-
redung unmittelbar nach dem Erscheinen des „Daily-Telegraph“-Artikels
eine längere Aufzeichnung, die im wesentlichen wieder darauf hinauskam,
er habe annehmen müssen, daß Seine Majestät der Kaiser die Veröffent-
lichung des Artikel „entschieden“ verlange und daß die vorherige Mittei-
lung an den Reichskanzler lediglich bezwecke, zu etwa wünschenswert
erscheinenden Abänderungen „einzelner Stellen“ die Möglichkeit zu
bieten. Er sei überzeugt gewesen, daß Seine Majestät den größten Wert
darauf lege, von dem dankenswerten englischen Anerbieten Gebrauch zu
machen. Aus einem in der Fleischerschen Revue enthaltenen (mir, nebenbei
gesagt, unbekannten) Aufsatz habe er geglaubt entnehmen zu dürfen,
daß alles Wesentliche aus dem englischen Artikel bereits bekannt wäre.
Um so weniger habe er gewagt, dem „entschiedenen Willen des Kaisers“