364 EIN VERNICHTETES PROTOKOLL
der Armee so insbesondere auch der Marine erweisen könne, größere
Zurückhaltung, mehr Sachlichkeit, mehr Ernst, Umsicht und Vorsicht in
scinem ganzen Verhalten sein würde.
Der Staatssekretär des Innern, Herr von Bethmann Hollweg, zog daraus
das Fazit, daß es die Pflicht des Ministerpräsidenten sei, Seiner Majestät
dem Kaiser ein „Bis hierher und nicht weiter!“ zuzurufen. Gegenüber
dem Reichstag aber dürfe der Kanzler keinen Zweifel darüber lassen, daß
der Kaiser künftig Handlungen und Worte unterlassen müsse und würde,
die für die Autorität der Krone und die Ruhe im Lande gleich gefährlich
wären. Ich darf nicht verschweigen, daß, als ich einige Monate später das
Protokoll dieser denkwürdigen Sitzung verlangte, der Unterstaatssekretär
im Staatsministerium mir mit einiger Verlegenheit meldete, auf dringende
Bitte mehrerer Mitglieder des hohen Staatsministeriums sei dieses Proto-
koll „im Interesse der Würde der Krone“ vernichtet worden.
Am 6. November brachte die „Konservative Korrespondenz‘, das
offizielle Organ der Konservativen Partei, eine parteiofhizielle Kundgebung,
in der es hieß: „Wir sehen mit Sorge, daß Äußerungen Seiner Majestät des
Kaisers, gewiß stets von edlen Motiven ausgehend, nicht selten dazu bei-
getragen haben, teilweise durch die mißverständliche Auslegung, unsere
auswärtige Politik in schwierige Lage zu bringen. Wir halten, geleitet von
dem Bestreben, das kaiserliche Ansehen vor einer Kritik und Diskussion,
die ihm nicht zuträglich sind, zu bewahren, sowie von der Pflicht beseelt,
das Deutsche Reich und Volk vor Verwicklungen und Nachteilen zu
schützen, uns zu dem ehrfurchtsvollen Ausdruck des Wunsches verbunden,
daß in solchen Äußerungen künftig eine größere Zurückhaltung beobachtet
werden möge.“
Die „Kreuz-Zeitung“ erklärte in ihrem Kommentar zu dieser Kund-
gebung der Konservativen Parteileitung: „Möge der alles Dankes würdige,
mutige Schritt unserer Parteiführer zum Segen des Vaterlandes gereichen!
Und sollte er selbst nicht vollen Erfolg haben, so wissen wir doch von
neuem, daß die Konservative Partei sich auf die Einsicht und Selbstlosig-
keit unserer Führer immerdar verlassen kann, wie sie selbst sich auf die
Partei verlassen können.“
In weiten Kreisen wurde die Erregung gegen den Kaiser noch dadurch
verstärkt, daß über den Aufenthalt Seiner Majestät in Donaueschingen
durch seinen Gastgeber, den Fürsten Max Fürstenberg, taktlose Berichte
in die Presse gelangten, in denen nur von prächtigen Fuchsjagden und
höchst amüsanten Vorträgen eines aus Frankfurt nach dem Fürstenbergi-
schen Schloß berufenen Kabaretts die Rede war. Alsich durch Vermittlung
des Oberhofmarschalls und Hausministers August Eulenburg in Donau-
eschingen darauf aufmerksam machen ließ, daß das dortige, wenig ernste