Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

366 AUCH DIE KAISERTREUEN 
kratische Partei werde mir keine besonderen Schwierigkeiten bereiten, 
mich auch nicht mit unnötiger Heftigkeit angreifen. Sie wünsche keinen 
Krieg und glaube trotz aller innerpolitischen Differenzen zwischen ihr und 
mir, daß unter meiner Leitung der auswärtigen Politik bei der derzeitigen 
verworrenen europäischen Lage der Friede am besten gesichert sei. Der 
Führer der Konservativen Partei, Herr von Heydebrand, sprach viel 
schärfer als Paul Singer. Er bezeichnete die in Deutschland herrschende 
Erregung als eine sehr große und sehr nachhaltige. Man würde dieser Er- 
regung nicht gerecht werden, wenn man lediglich an die letzten Veröffent- 
lichungen anknüpfen wolle. Es müsse offen ausgesprochen werden, daß es 
sich um einen Unmut handle, der sich seit Jahren angesammelt habe. 
Dieser Unmut herrsche auch in den Kreisen, denen es an Treue zu Kaiser 
und Reich bisher noch niemals gefehlt habe. Die im Auswärtigen Amt 
begangenen Versehen seien keineswegs das Wichtigste, sondern die Vor- 
gänge, die hinter dieser Veröffentlichung lägen. Die Konservativen hätten 
auf das bestimmteste allem zugestimmt, was ich früher über die schwer- 
wiegende Frage ausgeführt hätte, wie weit ich die Verantwortung für 
Äußerungen des Kaisers zu tragen imstande sei. „Aber ich weiß nicht“, 
fuhr Herr von Heydebrand fort, „ob der Reichskanzler nicht selbst die 
Empfindung hat, ob er den Nachdruck immer in der gehörigen Weise in 
die Erscheinung hat treten lassen und daß das vielleicht noch entschiedener 
hätte geschehen müssen und in der Zukunft geschehen muß, wenn Vor- 
gänge dieser Art verhindert werden sollen. Es wäre ungerecht, fuhr Herr 
von Heydebrand fort, in diesem Augenblick zu vergessen, was Fürst 
Bülow in seiner Tätigkeit für das Deutsche Reich und das deutsche Volk 
getan und geleistet habe. So stünden die Dinge nicht, daß man wegen einer 
einzelnen Frage mir nichts dir nichts auslöschen könne, was viel Arbeit, 
was viel Pflichttreue, was viel Geschick und viel Vaterlandsliebe bedeutet 
habe.“ 
Herr von Heydebrand schloß mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß 
die Antwort des Reichskanzlers ehrlich, entschieden, aber auch eine Hoff- 
nung für die Zukunft sein würde. Die Rede des Führers der Reichspartei, 
des Fürsten Hatzfeldt, Herzogs von Trachenberg, erinnerte an die Limonade 
der armen Luise Miller, die Ferdinand von Walter matt fand. Er begnügte 
sich mit der Versicherung, daß er die monarchische Gesinnung in den Vor- 
dergrund stelle. Auf diese wenigen Worte glaube er sich in dem gegenwär- 
tigen Stadium beschränken zu dürfen. Diese Ausführungen bewiesen, daß 
der edle Herzog noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben hatte, schließ- 
lich doch noch einmal den Eckplatz auf der Ministerbank im Reichstage 
einzunehmen, und daß er sich seine wenn auch bescheidenen Chancen für 
den Reichskanzlerposten an Allerhöchster Stelle nicht verderben wollte.
	        
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