Debüt
des Staats-
sekretärs
Sydow
384 DER ÜBERFLÜSSIGE LUXUS
arın, um nicht der Versuchung zu unterliegen, es unseren reichen Nachbarn
in Wohlleben und Luxus gleichzutun. Ich will es offen aussprechen. Es ist
bei uns eine Zeit des Luxus, der Überschätzung des materiellen Genusses
eingerissen, die jeden mit ernster Sorge erfüllen muß, dem das höchste
Gut unseres Volkes, seine intellektuelle Kultur, am Herzen liegt. Wir
müssen alle in unserer ganzen Lebenshaltung zurück zu größerer Einfach-
heit.‘ Als mich Zurufe von den Sozialdemokraten unterbrachen, erwiderte
ich: „Ich nehme niemanden aus. Eine einfache Lebenshaltung ist würdiger,
sie ist vornehmer, und gerade den Deutschen kleidet sie besser.“ Ich er-
innerte daran, daß von jeher Reichtum ein Mittel zur Macht gewesen ist.
Er werde das mit jedem Jahrzehnt mehr, weil mit jedem Jahrzehnt die
wirtschaftlichen und industriellen Beziehungen und Abhängigkeitsver-
hältnisse wichtiger würden für die internationalen Beziehungen und für die
Gruppierung der Völker. Ich rühmte die mir aus meinem langen Aufenthalt
in Frankreich wohlbekannte, bewunderungswürdige Sparkraft der Fran-
zosen, die „force d’epargne‘ des einzelnen Franzosen und der einzelnen
Französin, die uns in dieser Beziehung ein nachahmenswertes Beispiel
gäben. Ich forderte die Fachmänner auf, diese meine Ausführungen aus
persönlicher Kenntnis und Erfahrung im einzelnen zu ergänzen und zu
bereichern. Ich betonte unter dem Beifall der Sozialdemokraten, daß meine
Mahnung über den überflüssigen Luxus sich in erster Linie an die mittleren
und an die höheren Stände richte. Ich ging auch hier von meinen persön-
lichen Erfahrungen aus, und ich erinnerte daran, wie einfach es in Bonn
auf unserem Kasino zugegangen wäre, als ich dort als Leutnant bei den
Königshusaren gestanden hätte. Als diese Reminiszenz von einem Teil des
Hauses mit Heiterkeit aufgenommen wurde, wiederholte ich noch einmal,
daß dies ein sehr ernstes, ein trauriges Kapitel sei: Es sei des deutschen
Volkes, es sei seiner kulturellen Größe, es sei seiner ruhmvollen geistigen
Geschichte unwürdig, daß solche gesellschaftliche Sitte oder vielmehr Un-
sitte, welche die gesellschaftliche Schätzung zu einer Frage des Geldes
mache, solche soziale Moral oder vielmehr Unmoral hätte aufkommen
können. Ich schloß mit dem Ausdruck der festen Zuversicht, daß der
Reichstag die Dringlichkeit und die Größe der ihm gestellten Aufgabe
erkennen, daß die Vertreter der Nation diese Aufgabe so erfüllen würden,
wie es eines großen, friedlich vorwärtsstrebenden und starken Volkes
würdig wäre.
Nach mir ergriff der neue Staatssekretär des Reichsschatzamts Sydow
das Wort. Ich muß hier gleich bemerken, daß seine Wahl keine glückliche,
sondern ein Mißgriff von mir war. Als ich die Unerläßlichkeit einer gründ-
lichen Finanzreform und damit einer für damalige Begriffe erheblichen
Steuervermehrung erkannt hatte, war mir klargeworden, daß diese Aufgabe