24 IMPONIEREN
Kriegshafen, erwiderte er nicht ohne Gereiztheit, sein Onkel habe ihm den
Besuch in Berlin bisher verweigert, um einen solchen „betteln“ wolle er aber
nicht. Da ich diesen Einwurf vorausgesehen hatte, zog ich ein den Akten
entnommenes Telegramm aus der Tasche, aus dem hervorging, daß König
Eduard schon vor längerer Zeit dem Kaiser einen Besuch in Berlin hatte
abstatten wollen. Von seiten des Kaisers, dem der Besuch damals nicht
paßte, da er andere Dinge vorhatte, war abgewinkt worden. Seiner Majestät
blieb nichts anderes übrig, als sich darauf zu berufen, daß er dem König
von England bereits telegraphiert hätte, er wäre hocherfreut über dessen
baldige Ankunft in Kiel. Dabei müsse es bleiben. In ruhiger und sachlicher
Weise entwickelte nun der Staatssekretär des Reichsmarineamts, daß wir
besser täten, nicht unsere ganze Flotte in Kiel zusammenzuzieben. Der
Kaiser, der Tirpitz seit längerer Zeit nicht mehr mochte, während er für
mich damals noch von gütigen und freundschaftlichen Gefühlen beseelt
war, erklärte in unwirschem Tone, es sei kindisch, zu glauben, daß die
Engländer nicht über den Bestand unserer ganzen Flotte, von den Groß-
kampfschiffen bis zur kleinsten Pinasse, genau orientiert wären. Tirpitz
entgegnete, daß auch er daran nicht zweifle. Es sei aber ein Unterschied,
ob König Eduard und die ihn begleitenden Admirale und Secofüiziere über
unsere Marine nur durch die Berichte des englischen Marineattaches in
Berlin und gelegentliche Meldungen von Agenten und Spionen informiert
würden oder ob sie unsere Flotte in ihrer ganzen Stärke und Manövrier-
fähigkeit vor sich erblickten. Gerade auf den Engländer wirke schr stark,
was er vor sich sehe, der direkte Eindruck. Ich unterstützte lebhaft und
nachdrücklich die durchaus zutreffenden Vorstellungen von Tirpitz.
Schließlich meinte der Kaiser, Tirpitz möge so viele oder so wenige Schiffe
nach Kiel zusammenziehen, wieer wolle. Am nächsten Tage stellte sich her-
aus, daß der Kaiser trotzdem im Laufe der Nacht durch das Marine-
kabinett direkt Weisung gegeben hatte, auch den kleinsten Kahn nach
Kiel zu schicken. Er wollte auch bei diesem Anlaß vor allem „imponieren“,
Am 25. Juni sollte der König von England in Kiel eintreffen. Der Kaiser
hatte die Absicht, seinen Onkel, der den Weg durch den Kaiser-Wilhelm-
Kanal einschlagen wollte, in Brunsbüttel zu empfangen, wovon ich ihn mit
Mühe abhielt, unter Hinweis darauf, daß es dem nicht mehr ganz jungen
King schwerlich angenchm sein würde, morgens zwischen vier und fünf Uhr
im Schlafe gestört zu werden. Der Kaiser bestand aber darauf, daß er
dann wenigstens dem König an Bord seines Schiffes den ersten Besuch
abstatten wolle. Als er seinen Oheim dies wissen ließ, entgegnete dieser mit
dem von ihm nie verleugneten Takt, es wäre an dem Besucher, dem Be-
suchten die erste Visite zu machen. Der Kaiser hatte alles in Bewegung
gesetzt, um den Empfang so glänzend wie nur irgend möglich zu gestalten.