DIE NEUEN KABINETTSCHEFS 441
Graf Hülsen-Hacseler ein langjähriger und persönlicher Freund. Hülsen
war während der Novemberkrisis im Schlosse Donaueschingen von einem
Herzschlag gerührt tot umgesunken, nur wenige Stunden nachdem er dem
Kaiser dringend geraten hatte, sich nicht von mir zu trennen. Sein Nach-
folger, Generalvon Lyncker, war ein tüchtigerMilitär, ein tadelloser Ehren-
mann, aber ohne Initiative. Er betrachtete sich nur als immer dienst-
bereiten und dienstbeflissenen Generaladjutanten. Und endlich war an die
Stelle des sehr klugen, sehr gewandten, mir gleichfalls treu ergebenen
Lucanus Herr von Valentini getreten. Ein geistreicher russischer Freund,
Ernst Meyendorff, sagte mir einmal: „Une longue experience m’a prouve
qu’on ne r&ussit jamais a tuer son successeur.‘‘ Lucanus kannte die Wetter-
wendigkeit Sciner Majestät. Als er zu bemerken glaubte, daß der hohe Herr
für den Vortragenden Rat in Allerhöchstseinem Kabinett, Herrn von Berg,
Korpsbruder und persönlichen Freund Seiner Majestät, große Vorliebe
zeigte, sorgte er für dessen Versetzung. Zu seinem Nachfolger wählte
Lucanus den Regierungspräsidenten in Frankfurt a. O., Herrn von Valentini,
der ihm so unbeträchtlich erschien, daß er ihn als Chef des Zivilkabinetts
Seiner Majestät für ausgeschlossen hielt. Seinen eigentlichen Zweck, Berg
aus der Umgebung Seiner Majestät zu entfernen, hat Lucanus nicht erreicht,
denn Berg wurde schließlich doch, nicht lange vor dem Umsturz, Chef des
Zivilkabinetts. Valentini hat aber während eines Jahrzehnts Gelegenheit
gehabt, seine Unbedeutendheit und leider auch seinen Mangel an Charakter
nur zu reichlich an den Tag zu legen. Ich füge den letzten Brief bei, den ich
von Lucanus kurz vor dessen Heimgang erhielt: „Eure Durchlaucht haben
mich erfreut und beglückt durch den so warmen Ausdruck Ihrer Teilnahme
an meinem Wohlergehen. Ich habe das Bett verlassen dürfen und hoffe, bald
wieder auf dem Posten zu sein. Wie viele und große Aufgaben harren jetzt
der Lösung durch Ihre Hand! Möge Gottes Schirm und Schutz über Eurer
Durchlaucht walten. In unwandelbarer Verehrung und steter Anhänglich-
keit bin und bleibe ich Eurer Durchlaucht treu und dankbar ergebener von
Lucanus.“
Schmerzlicher noch als der Wegfall der drei Kabinettschefs hatte mich
der Heimgang meines verehrten und lieben Kriegsobersten, meines lang-
jährigen väterlichen Freundes, des Generalfeldmarschalls von Lo&, be-
troffen, der zur großen Armee abberufen worden war. Tiefbewegt richtete
ich an seine Witwe, die erst vierzehn Jahre später, fast neunzig Jahre alt,
ihrem Gatten in die Ewigkeit folgte, das nachstehende Telegramm: „Die
Nachricht von dem Heimgang Ihres hochverehrten Mannes hat mich tief
bewegt. Der Name des verewigten Feldmarschalls wird unvergänglich
fortleben in der preußischen und in der deutschen Geschichte. Er war ein
Ritter ohne Furcht und Tadel, treu Gott, König und Vaterland. Sein
Tod des Feld-
marschalls
von Loö